Nationalismusforschung
Zwei DFG-Projekte bestimmen den Forschungsschwerpunkt Nationalismus und Alltag.
Stereotyp und Bildmedium
Wieviel Humor haben Deutsche, wie geizig
sind Schotten, und wie stolz sind Spanier wirklich? Bestimmen Sauerkraut und Würstchen oder Roast Beef und Pudding den Charakter einer Nation?
Den Ausgangspunkt dieses Projekts bildeten die Entstehung der Nationalstaaten im 18. Jahrhundert, räumlicher Schwerpunkt war zunächst die englische Nation. Quellenmaterial waren in
erster Linie bildliche Darstellungen in der populären Druckgraphik, aber auch Geographiebücher, Reiseberichte, Almanache und Kalenderliteratur wurden auf
den Prozeß der Klischee- und Stereotypenbildung ausgewertet. Im Mittelpunkt standen dabei die ikonographischen Programme einzelner Nationen sowie Kontext
und Funktion der Stereotypisierung.
Nationalismus und Alltag an der deutsch-belgischen Grenze (1815-1920)
Das Projekt zielt darauf ab, aus volkskundlich-ethnologischer Perspektive Nationalismus und Alltag an
der deutsch-belgischen Grenze nachzuzeichnen und zu analysieren. Die subjektive Sicht, das Erfahren und Empfinden des Nationalen in den Kreisen Eupen und Malmedy - seit 1815 zu Preußen gehörend und als Folge des Ersten Weltkrieges 1920 an Belgien übertragen - wird dabei von zentraler Bedeutung sein: Wie die
Menschen an einer einst willkürlich gezogenen Grenze das Deutsch-Sein erlernen konnten und sollten, es in der alltäglichen Lebensführung und
Lebensdeutung umsetzten oder auch verweigerten, es dem Belgisch-Sein wertend gegenüber stellten, ist hier entscheidend.
Im Rahmen dieser Bewusstseinsanalyse wird zunächst die zeit- und sozialtypische Subjektivität des Quellenmaterials erfasst - das gilt für genuin
schriftliche Selbstzeugnisse, wie Tagebücher, Autobiographien und Briefe, aber zugleich für Reiseberichte, Gemeinde-, Schul- und Pfarrchroniken, Zeitungen
und Zeitschriften, Romane, Sagen und Erzählungen. Diese werden erschlossen, in einer Textdatenbank aufbereitet und systematisch analysiert. Die schriftlich
fixierte, direkt oder indirekt fassbare Wahrnehmung der Grenze, der Zugehörigkeit zu dem Kollektiv auf der einen Seite und dem Ausschluss von der Gemeinschaft
auf der anderen Seite, wird bei jedem Subjekt im kulturellen Kontext der Zeit und vor dem Hintergrund seiner gesellschaftlichen Herkunft und Positionierung interpretiert.
Ziel ist es, den Stellenwert des Nationalen in den Quellen so zuverlässig wie möglich zu bestimmen.
Die Wechselwirkungen zwischen individueller "Grenzerfahrung" und kollektivem Deutsch-Sein, als Deutungsangebot permanent durch Verwaltung, Schule und Militär bereit gestellt, sind im Forschungsvorhaben zu interpretieren: Hieraus werden sich anschließend Kategorien eines sozial inklusiven und auf nationale Auto- wie Heterostereotype abfärbenden Alltagsnationalismus ableiten lassen. Die Untersuchung von Genese und Entwicklung dieses Nationalismus im Alltag, der die Nachfrage konkreter Menschen nach dem
Deutungsangebot "deutsche Nation" einschließt, verfolgt letztendlich eine theoretisch-methodische und empirische Zielsetzung - sie wird mikrogeschichtlich
aufzeigen, wie sich Subjekte in Abhängigkeit vom Kollektiv einen nationalen, politisch und wirtschaftlich neu vorgegebenen Raum auch alltagskulturell aneignen.
Drittmittelgeber:
Beteiligte Wissenschaftler:
Veröffentlichungen:
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