Westfälische Wilhelms-Universität
Münster
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Sonderforschungsbereich 496 Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur französischen Revolution Salzstr. 41 48143 Münster Sprecher: Prof. Dr. Gerd Althoff |
Tel. (0251) 83-2 79 14/3
Fax: (0251) 83-2 79 11 e-mail: sfb496.sekretariat@uni-muenster.de www: http://www.uni-muenster.de/sfb496 |
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Forschungsschwerpunkte 2001 - 2002 Sonderforschungsbereiche
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Übergangsrituale in der Frühen Neuzeit
Das Projekt untersuchte
am Beispiel der Eheschließungen die Struktur, Funktion und Bedeutung ritueller und symbolischer
kommunikativer Handlungen in Übergangsritualen der Frühen Neuzeit. Zusammenfassend
lässt sich derzeit sagen, dass das Übergangsritual Hochzeit als komplexer Sinnstiftungsprozess
anzusehen ist, in dem (Teil-)Gesellschaften bzw. soziale Subsysteme durch das spezifische Zusammenspiel
von gesellschaftlicher, gruppenspezifischer und individueller Sinnstiftung konstituiert werden. In diesem
Kontext ließ sich auch untersuchen, wie die sich entwickelnde obrigkeitlichen Vorstellungen des Sinns
von Hochzeitsritualen durchgesetzt wurden, wie eine Alphabetisierung' mittels der neu implementierten
kirchlichen Symbolik vollzogen wurde. Dieser Prozess wird im Teilprojekt als Verkirchlichung bezeichnet,
insofern bislang volkskulturell definierte Bedeutungszuweisungen von kirchlicher Normierung
überlagert und zum Teil verdrängt werden. Durch den Rückgriff auf konstruktivistische
Ansätze wurde das Übergangsritual Hochzeit als ein bedeutungsoffenes soziokulturelles
Phänomen interpretiert, das notwendigerweise individuell wie gruppenspezifisch immer wieder mit
sinnstiftenden Prozessen belegt werden muss. Der individuelle, körperliche Vollzug des
Übergangs Heiraten verschob dabei jeweils obrigkeitliche bzw. kirchliche Vorgaben. Das Projekt leistet
hier einen Beitrag zur jüngst interdisziplinär diskutierten performativen Wende. In diesem
Kontext konnte die besondere Bedeutung körperlicher Handlungen aufgezeigt werden, wie sie für
Initiationsrituale südamerikanischer Ethnien bereits bekannt sind, aber auch nach den Ergebnissen des
Projekts für die europäische Geschichte als zentral angenommen werden müssen. Dieses
Zusammenspiel eines notwendigen körperlichen Vollzugs mit einer situationsbedingten
Bedeutungszuschreibung führte zu einem Ansatz, der über die bisherigen
phänodeskriptiven und normativ-obrigkeitlichen Untersuchungen hinausgeht. Ein zentrales bisheriges
Resultat war damit, dass in einer komplexen Gesellschaft Symbole keine eindeutigen Bedeutungen haben, die
Sinnintention und Sinnwahrnehmung kohärent erscheinen lassen, sondern dass sich um deren Besetzung
und Beherrschung gesellschaftliche Konflikte entwickeln können und in der Neuzeit auch entwickelt
haben. Parallel dazu trugen körperliche performative Akte zur Sinnbildung im Übergangsritual
Heirat aufgrund ihres Überschusses an Bedeutung, die nicht in den Intentionen der beteiligten Gruppen
und Personen aufging, bei. Die Generierung von Bedeutung in Übergangsritualen lässt sich daher
nicht allein durch die Konflikte um intentionale Bedeutungszuschreibungen rekonstruieren. Um diese
Ergebnisse auf eine breitere thematische Basis zu stellen, wurden Forschungen zur Bedeutung von
Initiationsritualen im zünftischen Handwerk durchgeführt. Pfister hat in zwei Beiträgen den
Zusammenhang zwischen zünftischen Werten, wie sie sich in Petitionen etc. äußern, und der
Entwicklung eines lokalen Wirtschaftssektors angesprochen. Im Vergleich verschiedener Städte erwies
sich dabei der Grad an zünftischer Autonomie als wichtige Variable bei der Erklärung von
Unterschieden. Diese Autonomie ihrerseits wird im Alltag zu einem erheblichen Teil in der spezifischen
Ausgestaltung von (Übergangs-)riten konstituiert. Wir erhoffen uns, dass es trotz der schwierigen
Quellensituation zu zünftischen Übergangsriten am Ende möglich sein wird, den
Zusammenhang zwischen ihnen und der (Re-)produktion spezifisch zünftischer Werte zu untersuchen.
Ebenfalls als Beispiel mit dem Ziel, eine allgemeine Systematik von Sinnstiftungsprozessen in
Übergangsritualen der Frühen Neuzeit zu erarbeiten wurden Wallfahrten als
Übergänge während der Laufzeit des Projekts erforscht. Seit Turner kann man in der
Wallfahrt einen liminalen Zustand sehen, der am Ende durch die rituelle Reinigung (Kommunion,
Ablassgewinnung) oder die physische Heilung den/die WallfahrerIn in einen neuen Status versetzt. Dieser
Ansatz wurde in Publikationen des Teilprojekts unter anderem anhand der Auswertung des Mirakelbuchs von
Eberhardsklausen (17. Jh.) und des Beizugs einzelner Hexenprozesse. Im Ergebnis werden analog zu den oben
referierten Ergebnissen zur Heirat die Bedeutung der individuellen Performanz und die vergleichsweise
geringe Ritualisierung dieses Übergangs festgestellt.
Zusammenfassend hat das Projekt nachzuweisen versucht, wie in Übergangsritualen performativ
körperliche und symbolische Sinnstiftungsstrategien einen emergenten Bedeutungsüberschuss
hervorbringen und Rituale so jenseits intentionaler Zuschreibungen autopoietisch wirklichkeitsgenerierend und
damit geschichtsbildend wirken.
Beteiligte Wissenschaftler: Veröffentlichungen: |
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