Forschungsbericht 1999-2000   
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"Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche
Wertesysteme vom Mittelalter bis zur
französischen Revolution"

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Sprecher: Prof. Dr. Gerd Althoff

 
 
 
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Sonderforschungsbereiche
Sonderforschungsbereich 496 "Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur französischen Revolution"
Teilprojekt A3/Prof. Dr. Peter Johanek
 


Herrscherlicher und fürstlicher Adventus und bürgerliche Selbstdarstellung
im Reich des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit

Das Teilprojekt untersucht den herrscherlichen und fürstlichen Adventus, der in einer durch Ritual und Zeremoniell bestimmten Inszenierung die herrscherliche oder fürstliche Repräsentation, die Ordnungen innerhalb der bürgerlichen Gemeinde sowie das Verhältnis des Stadtherrn zur Stadt abbildet. Ziel des Rituals ist die Verdeutlichung der concordia zwischen Stadtherrn und Stadtgemeinde. Zugleich stellt der Adventus einen Schnittpunkt fürstlicher und bürgerlicher Selbstdarstellung dar. Das macht ihn als Untersuchungsgegenstand für Forschungen zur symbolischen Kommunikation und zur Visualisierung von Ordnungsvorstellungen innerhalb der Stadt besonders interessant.

In den Arbeiten des Projekts werden vor allem die bislang vernachlässigten landesfürstlichen Einzüge im Reichsgebiet systematisch erfasst und vergleichend neben die herrscherlichen Adventus-Handlungen gestellt. Dabei wird in Anlehnung an die westeuropäische Forschung auch die Beteiligung der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen der Städte betrachtet, die Schauplatz von Adventus-Handlungen geworden sind.

Momentan wird eine Übersicht über die Gestaltung des Adventus für das Reichsgebiet von etwa 1300 bis 1600/50 erarbeitet. Diese wird durch die umfassende Bearbeitung einiger Beispielfälle (Reichsstädte - Kathedralstädte - Territorialstädte) vertieft. Das Ziel ist dabei die Erarbeitung einer Typologie des landesfürstlichen Adventus in seiner regionalen Differenzierung.

Bislang wurde die edierte chronikalische Überlieferung der Städte Basel, Bremen, Eisenach, Erfurt, Halle, Hamburg, Köln, Konstanz, Lübeck, Magdeburg, Mainz, Speyer und Zürich gesichtet und in einer Belegdatenbank dokumentiert. Eine erste Sichtung der Bestände der Stadtarchive von Konstanz und Erfurt sowie des Landeshauptarchivs Magdeburg hat die Bedeutung von vertiefenden Einzelstudien gezeigt. Diese sind nicht nur durch die notwendige präzise Kenntnis der regionalen und lokalen Verhältnisse erforderlich, sondern auch durch die spezifischen, heterogenen Überlieferungssituationen. Neben den erwartungsgemäß recht aussagefähigen, nicht publizierten städtischen Quellen wie Ratsrechnungen und -büchern konnten mit städtischen Korrespondenz- und Verwaltungsbüchern erzbischöflicher Amtleute Archivalien gehoben werden, die deutlich die Diversität und Intentionalität der Überlieferung im Gegenüber von Stadtgemeinde und Stadtherrn aufzeigen. Mit der frühneuzeitlichen Paderborner Überlieferung wurde ein Ortspunkt erschlossen, der eine Fallstudie zum Adventus im nördlichen Deutschland der Reformationszeit vorbereitet.

Strukturelle Fragestellungen richteteten sich auf den Zusammenhang von Ritual und Raum, auf die Ortsgebundenheit des Zeremoniells. Die Untersuchungen orientierten sich zum einen an den in der angelsächsischen Stadtgeschichtsforschung entwickelten Modellen der 'Urban landscape'. Die bearbeiteten Fallbeispiele haben gezeigt, dass der städtische Raum im Kontext des Adventus eines Herrschaftsträgers zu einem 'symbolischen Raum' wird, dem eine besondere Semantik anhaftet. Exemplarisch wurden zwei Elemente untersucht: das Stadttor und die Straßen und Plätze einer Stadt. Während das Tor als eine aufs äußerste verknappte 'Abkürzung' der Stadt verstanden werden kann, bilden die Straßen beim Adventus eine 'symbolische Landkarte'. Insbesondere durch das Abweichen von einer bestimmten traditionellen Route konnte das Verhältnis zwischen Stadtherren und Stadt sehr pointiert ausgedrückt werden.

Dieser Ansatz wurde auf zwei Sektionen des International Medieval Congress (10.-13. Juli 2000, Leeds) zu dem Thema "Adventus Principis. Princely Entries into Medieval Towns" vorgestellt, die vom Projekt A3 organisiert wurden. Beteiligt an diesen Sektionen waren Wim Blockmans (Leiden), Claudia Garnier (Münster), Peter Johanek (Münster), Angelika Lampen (Münster), Regine Schweers (Münster) und Ellen Widder (Tübingen). Eine Publikation der Beiträge ist vorgesehen. Eine Vortragsreihe mit auswärtigen Gästen wurde initiiert, die neben den Vorträgen vertiefende Arbeitsgespräche vorsieht. Den Anfang machte am 8. Dezember 2000 Thomas Ertl (Berlin), der über das Thema "Otto von St. Blasien und der triumphale Einzug Kaiser Heinrichs VI. in Palermo (1194)" sprach. Grundfragen der Projektthematik behandelte der Projektleiter in verschiedenen Vorträgen; u.a. im Rahmen der Vortragsreihe des Graduiertenkollegs "Gesellschaftliche Kommunikation im Mittelalter" und auf der Tagung des Italienisch-Deutschen Instituts Trient "Aspetti e componenti della urbana in Italia e in Germania" (9. bis 11. November 2000).

Beteiligte Wissenschaftler:

Prof. Dr. P. Johanek (Leiter), Dr. A. Lampen, D. Luttkus M.A., R. Schweers

Veröffentlichungen:

Johanek, P.: Residenzenbildung und Stadt bei geistlichen und weltlichen Fürsten im Nordwesten Deutschlands, in: Historia Urbana V (1997/1) [erschienen 2000], S. 91-108

--,: Vorwort, in: Krakau, Prag und Wien: Funktionen von Metropolen im frühmodernen Staat, Stuttgart 2000, S. 10-12

--,: Imperial and Free Towns of the Holy Roman Empire. City-States in Pre-Modern Germany?, in: Hansen, M. H. (Hg.), A Comparative Study of Thirty City-State Cultures, Kopenhagen 2000, S. 295-319

--,: Die österreichische Stadtgeschichtsforschung zur mittelalterlichen Epoche. Leistungen - Defizite - Perspektiven, in: Pro Civitate Austriae NF 5 (2000), S. 7-22

--,: Stadtgeschichtsforschung. Leistung und Perspektiven der mediävistischen Stadtgeschichtsforschung, in: Schauplatz - Mittelalter - Friesach. Kärntner Landesausstellung 2001, 1, Klagenfurt 2001, S. 115-135

 
 
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Hans-Joachim Peter
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Datum: 2001-10-18