Teilprojekt B6 (Lügering/Kucharzik/Stoll/Domschke): Zellulärer Dialog von humanen
intestinalen Epithelzellen und mikrovaskulären Endothelzellen in vitro: Beziehung zur Pathogenese
chronisch entzündlicher Darmerkrankungen
1. |
(ab Juli 1998): Kenntnisstand bei der letzten Antragsstellung
Die Ätiologie der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) Morbus Crohn
und Colitis ulcerosa, für die in vielen Fällen keine dauerhaft befriedigende Therapie
zur Verfügung steht, ist unklar. Die Initiierung wie auch die Chronifizierung der
intestinalen Entzündungsreaktion lassen sich weitgehend aus Ungleichgewichten
zwischen pro- und kontraentzündlichen Mediatoren und Chemokinen erklären. Die
normale intestinale Mukosa hat die Fähigkeit, größere Läsionen
vollständig zu erneuern. Bei CED ist die anhaltende entzündliche
Gewebszerstörung ein charakteristisches Phänomen. Das Epithel des humanen
Gastrointestinaltraktes ist ein immunologisches Kompartiment, welches durch die
Basalmembran von der Lamina propria getrennt wird. Entscheidend für die mechanische
Integrität der Mukosa ist eine kontinuierliche, intakte Epithelzellschicht, die die
ungeregelte Invasion einer Vielzahl von bakteriellen und anderen luminalen Antigenen
verhindert. Das intestinale Epithel ist außerdem in der Lage, durch Präsentation von
Antigenen in den Verlauf des intestinalen Entzündungsgeschehens entscheidend
einzugreifen. So exprimieren Epithelzellen gesunder Kontrollpersonen
MHC-Klasse-I-Moleküle und induzieren suppressiv wirkende zytotoxische T-Zellen,
während bei CED-Patienten auch MHC-Klasse-II-Moleküle am Epithel
nachweisbar sind. Die Verwendung von MHC-Klasse-II-Molekülen zur
Antigenpräsentation trägt zur Induktion von CD4-T-Helferzellen bei.
Zusätzlich zu HLA-Molekülen können Epithelzellen auf ihrer
Oberfläche HLA-ähnliche Moleküle exprimieren, die ebenfalls eine Rolle bei
der Antigenpräsentation zu spielen scheinen. Proinflammatorische Zytokine wie IL-1 und
TNF-a sowie eindringende und adhärierende Bakterien
induzieren die epitheliale Expression von IL-8, IL-6, GM-CSF, MCP-1, TGF-b, Adhäsionsmolekülen, PGE2, MHC-Klasse I- und
II-Antigenen sowie von Akut-Phase-Proteinen, die selbst wiederum durch autokrine und
parakrine Mechanismen regulatorische Funktionen auf intestinale Epithelzellen ausüben.
Insbesondere die Chemokine MCP-1 und IL-8 haben die Fähigkeit, die intestinale
Entzündung zu initiieren und zu perpetuieren. Dies wird erreicht durch eine
verstärkte Zellaktivierung sowie eine vermehrte Transmigration von Neutrophilen durch
epitheliale Strukturen, was letztendlich histomorphologisch zu den für die chronisch
entzündliche Darmerkrankung typischen Kryptenabszessen führt. Erhöhte
mukosale Konzentrationen von IL-8 und MCP-1 sind in akut entzündeten Läsionen
im Vergleich zu nicht-entzündeten Gewebsabschnitten bei chronisch entzündlicher
Darmerkrankung nachgewiesen worden. Dabei konnte gezeigt werden, daß IL-8 und
MCP-1 im Entzündungsprozeß nicht nur von mononukleären Zellen der
Lamina propria, sondern auch von Epithel- und Endothelzellen sezerniert werden.
Proinflammatorische Zytokine wie IL-1 und TNF-a, die in
erhöhter Konzentration in der Lamina propria von Patienten mit aktiver wie auch
inaktiver chronisch entzündlicher Darmerkrankung nachgewiesen worden sind,
stimulieren transformierte und frisch isolierte intestinale Epithelzellen zur Proteinsekretion und
mRNA-Expression von IL-8 und MCP-1, so daß das intestinale Epithel die Migration von
Neutrophilen und Monozyten und somit die mukosale Entzündung analog dem
vaskulären Endothel beeinflussen kann. Das Endothel spielt eine entscheidene Rolle beim
Einstrom von Leukozyten aus dem Blut ins Gewebe. Dieses Phänomen wird durch
Adhäsionsmoleküle sowohl auf Leukozyten als auch auf Endothelzellen vermittelt.
Selektine wie ELAM-1 bestimmen den primären Kontakt zwischen Leukozyten und
Endothelzelloberfläche. E- und P-Selektin werden auf zytokinaktivierten Endothelzellen
exprimiert. L-Selektin hingegen wird dauerhaft auf Leukozyten in der Zirkulation ausgebildet.
Die Selektin-vermittelte Bindung führt zu einer Steigerung der Expression von Integrinen
auf Leukozyten und in der Folge zu ihrer Interaktion mit Membranproteinen der
Immunglobulin-Superfamilie. Integrine sind außerdem von entscheidender Bedeutung
beim sogenannten "homing," das heißt dem Wiedereinwandern von gereiften
Lymphozyten in die Darmwand. Insgesamt fand sich bei CED eine deutlich vermehrte
Expression fast aller bisher untersuchten Adhäsionsmoleküle, wie zum Beispiel
ICAM-1, ELAM-1, verschiedene Integrine sowie der E-, P- und L-Selektine. Obwohl in der
gesunden Darmschleimhaut normalerweise keine unmittelbare Nachbarschaft zwischen
Epithelzellen und mikrovaskulären Endothelzellen besteht, nehmen wir nach derzeitigem
Wissensstand an, daß zwischen beiden Zellpartnern eine Interaktion über
lösliche Faktoren stattfindet, in dessen Verlauf verschiedene Zellfunktionen moduliert und
induziert werden. Darüber hinaus muß angenommen werden, daß im Rahmen
von entzündlichen Prozessen mit begleitender Läsion der epithelialen
Basalmembran direkte Interaktionen zwischen Epithel- und Endothelzellen auftreten. In der
Literatur war diesem Aspekt bis zur letzten Antragsstellung so gut wie keine Beachtung
geschenkt worden. |
2. |
Ausgangsfragestellung
Im Rahmen des seit Juli 1998 geförderten Projektes sollte
untersucht werden, ob durch die Kokultivierung von humanen intestinalen Epithelzellen und
humanen intestinalen mikrovaskulären Endothelzellen (HIMEC) eine wechselseitige
Beeinflussung beider Zellpartner moeglich ist. Als in vitro-Modell wurde hierfür ein
Zweikammersystem eingesetzt, das einerseits der in vivo vorliegenden Situation
möglichst nahe kommt, andererseits aber modulierende Effekte der angeborenen und
spezifischen Immunität ausschließt. Dabei sollten folgende Fragestellungen
bearbeitet werden:
- Sezernieren intestinale Epithelzellen in einem
2-Kammer-Kokultursystem lösliche Faktoren, die zellbiologische und morphologische
Veränderungen in HIMEC induzieren?
- Sezernieren umgekehrt HIMEC im
Sinne einer Antwort auf Signale aus Epithelzellen loesliche Faktoren, die zellbiologische und
morphologische Veraenderungen in letzteren Zellen induzieren?
- Welche Rolle spielt der direkte Kontakt von intestinalen Epithelzellen und HIMEC in einem
Ein-Kammersystem im Vergleich zur Kokultivierung mit Trennung beider Zellpartner durch
eine Membran (Transwells)?
- Serumfaktoren sind Induktoren von Differenzierungs- und Syntheseleistungen. Sind, wie für
Chondrozyten und makrovaskulaere Endothelzellen beschrieben, serumfreie Kulturbedingungen auch für
intestinale Epithelzellen und HIMEC möglich?
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3. |
Angewandte Methoden
Die Isolierung und Kultivierung humaner intestinaler
Epithelzellen und HIMEC ist in unserem Labor etabliert. Für die neu
durchgeführten Experimente greifen wir primär auf humane
Nabelschnurendothelzellen (HUVEC) zurück. Die Ergebnisse werden in einem weiteren
Ansatz mit HIMEC verifiziert. Zur Untersuchung des zellulären Dialogs von intestinalen
Epithelzellen und HIMEC wurden Zellkulturexperimente parallel in gemischter Monokultur auf
einer Fläche oder in kompartimentalisierten Kokulturen in speziellen
Zellkultur-Einsätzen (Transwells) angesetzt. Die Identifizierung von möglichen
Kandidat-Faktoren erfolgte durch Zugabe von funktionsblockierenden Antikörpern. Die
quantitative und/oder qualitative Nachweis von Zytokinen erfolgte auf Proteinebene durch
kommerziell verfügbare ELISA-Methoden oder durch intrazelluläre
Zytokinbestimmung mittels Flowzytometrie und wurde in einem zweiten Schritt durch
mRNA-Nachweis im Northern-Blot-Verfahren bestätigt. Mögliche
Veränderungen der Proteinexpression von Adhäsionsmolekülen auf
Endothelzellen als Antwort auf Signale aus Epithelzellen wurden durch FACS-Analysen
bestimmt. Alle hier aufgeführten Methoden sind seit längerem im Labor der
Antragssteller etabliert. Die durchgeführten FACS-Analysen werden in Zusammenarbeit
mit dem Institut für Immunologie (Direktor: Prof. Dr. rer. nat. E. Kölsch), mit dem
eine langjährige Kooperation besteht, durchgeführt. |
4. |
Ergebnisse
Das Teilprojekt B6 wird seit Juli 1998 gefördert. Die in der
Vorantragsphase und der jetzigen Förderungsphase für das Teilprojekt B6 erzielten
wesentlichen Ergebnisse sind den Fragestellungen 1 und 3 zuzuordnen. Auf der Basis des hier
angewandten Kokulturmodells konnten wir zeigen, daß intestinale Epithelzellen in vitro
über die Sekretion löslicher Faktoren aktiv mit HIMEC interagieren. So hemmen
nicht aktivierte intestinale Epithelzellen konzentrationsabhängig die endotheliale
IL-8-Produktion. Ein wesentlicher löslicher Faktor bei diesem zellulären Dialog ist
TGF-b1. Daß die hier beschriebene Interaktion zwischen
Epithelzellen und HIMEC möglicherweise komplexer ist als bisher angenommen, zeigen
parallel angesetzte Zellkulturexperimente in gemischter Monokultur auf einer Fläche oder
in kompartimentalisierten Kokulturen in speziellen Zellkultur-Einsätzen: So ist die
Suppression der IL-8-Produktion in HIMEC signifikant stärker, wenn beide Zelltypen in
einem Kompartiment kokultiviert werden. Ausgehend von diesen Daten vermuten wir eine
Beteiligung weiterer Faktoren, die Zell-Zell-Kontakt abhängig sind. In
weiterführenden Experimenten konnte ein entscheidender Schritt im Verständnis
der Aktivierungsmodalitäten und Effektorfunktionen intestinaler Epithelzellen im
Hinblick auf die Produktion von NFkB in Endothelzellen erzielt
werden. So konnte gezeigt werden, daß intestinale Epithelzellen, die mit TNF-a vorinkubiert wurden, in einer sich daran anschliessenden
Kokultivierung mit Endothelzellen (HUVEC und HMEC) einen deutlichen Anstieg der
freigesetzten intrazellulären NFkB-Untereinheit p65 in
Endothelzellen im Western Blot bewirken. Die Inkubation der HUVEC mit konditioniertem
Ueberstand führte zu keiner Veraenderung der p65 Freisetzung, ebenso die
Kokultivierung mit IL-1b aktivierten Epithelzellen. Im weiteren
sollen diese Ergebnisse durch Nachweis der DNA-Bindungsaktivität im Bandshift Assay
und die Beteiligung der verschiedenen Untereinheiten am Bandshift-Komplex im
Super-Shift-Assay bestaetigt werden. In weiteren Experimenten stellten wir fest, daß
konditionierte Medien von Caco-2 Zellen sowie intestinalen Epithelzellen, die mit TNF-a oder IL-1b stimuliert wurden, HUVECs
zu einer massiven Produktion von VCAM-1 anregen, was in FACS-Analysen dokumentiert
werden konnte. Die Resultate unter Fragestellung 3 erscheinen uns so interessant, daß wir
die unter Fragestellung 2 beschriebenen Experimente erst in der nächsten
Förderphase beginnen werden. Der unter Fragestellung 4 angeführte Aspekt der
Etablierung serumfreier Kulturbedingungen für Epithelzellen und HIMEC ist in der
Kürze der bisherigen Förderungszeit nicht gelungen. Die Gründe, warum
sich intestinale Epithelzellen und HIMEC nicht, wie für Chondrozyten beschrieben,
serumfrei kultivieren lassen, sind bislang nicht geklärt. Dieser experimentelle Ansatz
(Fragestellung 4) wird weiter intensiv in Kooperation mit Herrn Prof. P. Bruckner, Institut
für Physiologische Chemie und Pathobiochemie, der seit Jahren serumfreie Kultursysteme
für Chondrozyten und makrovaskuläre Endothelzellen verwendet (Bruckner
et al., 1998), sowie mit Herrn Prof. K. Schulze-Osthoff, Institut für Experimentelle
Dermatologie, bearbeitet. |
5. |
Zellbiologische Bedeutung der Ergebnisse
Ausgehend von den bisher erhaltenen Daten
würde dem Epithel in vivo eine bisher noch nicht zugesprochene Rolle obliegen: Neben
der epithelialen Produktion von proinflammatorischen Zytokinen sowie der Chemokine IL-8
und MCP-1, wodurch ein initialer Gradient für die Rekrutierung von Neutrophilen aus
den Blutgefäßen in die benachbarte Mukosa via Epithel geschaffen wird,
könnten intestinale Epithelzellen andererseits auch über die Suppression der
Chemokin-Produktion in Endothelzellen die fortwährende Rekrutierung von
Entzündungszellen einschränken. Da nach eigenen Daten und deren anderer
Arbeitsgruppen die IL-8- und MCP-1-Produktion in intestinalen Epithelzellen in vitro
zeitabhängig abnimmt (in vitro maximale Produktion nach 2-3 (mRNA) bzw. 4 (Protein)
Stunden, herrscht die epitheliale TGF-b-Antwort schließlich
vor (in vitro kontinuierlicher Anstieg der Proteinproduktion über eine Kultivierungszeit
von 120 Stunden). Ausgehend von dieser Hypothese wäre dieser aufgeführte
Mechanismus pathophysiologisch sehr relevant, da andere Immunzellen, wie
Monozyten/Makrophagen, proinflammatorische Zytokine bei der intestinalen Entzuendung in
großen Mengen freisetzen und damit die IL-8- und E-Selektin-Produktion in
Endothelzellen stark heraufregulieren. Aufgrund seiner einzigartigen Position, aus der die
Auseinandersetzung mit einer Vielzahl von Antigenen resultiert, könnte dem intestinalen
Epithel durch die Produktion einer Vielzahl von löslichen Mediatoren demnach die Rolle
eines homöostatischen Regulators zukommen. Diese These wird durch die Beobachtung
gestützt, daß die erste Veränderung in der TGF-b-Null-Maus eine gesteigerte Leukozyten-Endothel-Adhäsion
und granulozytäre Gewebsinfiltration ist. |
6. |
Stellung des Projektes innerhalb und außerhalb des Sonderforschungsbereiches
Bis zum Zeitpunkt des Beginns der Antragsstellung wurde dem Aspekt der
Epithel.-Endothel-Interaktion in der Literatur so gut wie keine Beachtung geschenkt.
Unabhängig von unseren Arbeiten und vor Publikation der in der bisherigen Phase
erzielten Ergebnisse erschien im September 1998 ein Artikel, der - auch hier auf der Basis eines
in vitro Kokultursystems - eine grundlegende funktionelle Interaktion von Endothel - und
Epithelzellen beschreibt, die für Regulation mukosaler Immunantworten vor allem in der
Entzündung von entscheidender Bedeutung sein könnte (Colgan et al., 1998). Der
Antragssteller PD Dr. N.Lügering absolviert vom 01.11.98 bis April 1999 ein Stipendium
an der University of San Diego, CA (Professor MF Kagnoff), welches sich inhaltlich und
methodisch mit der Thematik der Epithel-Endothelinteraktion beschäftigt. MF Kagnoff ist
auf dem Gebiet der Epithelzellimmunologie im Intestinaltrakt weltweit mit führend. |
7. |
Offene Fragen
Zusammenfassend stellen wir einen zellulären Dialog zwischen
intestinalen Epithelzellen und HIMEC auf der Basis eines in vitro Kokultur-Modells dar. Der
Einfluss löslicher Faktoren des Epithels auf die Aktivierung des Endothels kann in vivo
kaum nachvollzogen werden. Die Akzeptanz dieser inhaltlich neuen Thematik spiegelt sich in
Untersuchungen anderer Arbeitsgruppen auf dem Gebiet der zellulären Interaktion von
Epithel- und Endothelzellen wider. Es bleibt vorerst offen, wie der hier beschriebene
zelluläre Dialog bei Patienten mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa verläuft.
Insbesondere bleibt zu ergründen, unter welchen zellbiologischen Konditionen intestinale
Epithelzellen das intestinale Entzündungsgeschehen positiv oder negativ beeinflussen.
Das Projekt könnte damit neue Aspekte zur Entstehung und zum Verlauf der
entzündlichen Infiltrate bei CED eröffnen und möglicherweise
therapeutische Wege zur Behandlung dieser chronischen Erkrankung ebnen. |
Drittmittelgeber:
Beteiligte Wissenschaftler:
Veröffentlichungen:
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