Forschungsbericht 1997-98   
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Direktor: Prof. Dr. Ulrich van Suntum

 
 
 
[Pfeile blau] Forschungsschwerpunkte 1997 - 1998
Fachbereich 04 - Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Institut für Siedlungs- und Wohnungswesen
Regionalplanung und Regionalpolitik
 


Verbesserung der Standortqualität in ausgewählten Regionen Nordrhein-Westfalens

Vor dem Hintergrund eines sich weltweit verschärfenden Standortwettbewerbs haben sich auch die Bedingungen für den Standort Nordrhein-Westfalen grundlegend verändert. Viele grundlegende Strukturprobleme in Nordrhein-Westfalen sind noch nicht gelöst. So trug u. a. der Niedergang des Montankomplexes im Ruhrgebiet zu dem hohen Niveau der Arbeitslosigkeit in NRW bei. Vorrangiges Ziel der Wirtschaftspolitik in Nordrhein-Westfalen muß es daher sein, die Beschäftigungssituation nachhaltig zu verbessern.

Daraus leitete sich für diese Untersuchung die Fragestellung ab, wie durch eine Verbesserung der Standortbedingungen in Nordrhein-Westfalen das Investitionsklima für die private Wirtschaft verbessert werden kann, um durch eine Anregung der Investitionstätigkeit Arbeitsplätze zu schaffen.

Im Rahmen des Projektes wurden in einer zweistufigen Befragung im Frühjahr 1998 zunächst in Form einer schriftlichen Fragebogenaktion Betriebe in Nordrhein-Westfalen und zeitgleich Betriebe in den Niederlanden befragt. Dabei wurde zum einen das Standortwahlverhalten der befragten Betriebe analysiert. Zum anderen wurde herausgearbeitet, bei welchen Faktoren die befragten Unternehmen Stärken bzw. Schwächen des Standortes Nordrhein-Westfalen sehen.

Von den 4.962 angeschriebenen Betrieben in Nordrhein-Westfalen sandten insgesamt 401 Betriebe ihren Fragebogen zurück; dies entspricht einer Rücklaufquote von 8,1 %. In der parallel durchgeführten niederländischen Untersuchung sandten insgesamt 136 der 1.000 angeschriebenen Unternehmen den Fragebogen zurück.

In einer zweiten Stufe wurden im Anschluß an die schriftliche Befragung der Betriebe mündliche Interviews in Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden durchgeführt und die näheren Motive über die Bewertung einzelner Standortfaktoren beleuchtet. Weiterhin wurden die IHK sowie öffentliche Entscheidungsträger in Nordrhein-Westfalen wie Wirtschaftsförderer, Kommunalvertreter, Bezirksregierung und Gewerkschaften zur Standortproblematik befragt.

In Nordrhein-Westfalen würden mehr als die Hälfte der Unternehmer ihren Kindern empfehlen, sich noch einmal am jetzigen Standort anzusiedeln, während sich 43,5 % gegen den bestehenden Standort aussprechen. Auf der anderen Seite ist aus den ausführlichen Begründungen zum Standorturteil eine ablehnende Einstellung zum derzeitigen Standort abzulesen. Dem Tenor der Antworten ist zu entnehmen, daß andere Länder grundsätzlich als wirtschaftsfreundlicher beurteilt werden.

Die Betriebe, die an Standorten außerhalb Nordrhein-Westfalens Zweigbetriebe gegründet oder Produktion ausgelagert haben, sind unzufriedener mit ihrem Standort. Bekundete Unzufriedenheit über den Standort schlägt sich in tatsächlichen Abwanderungen nieder. Eine hohe Zufriedenheit mit dem Standort manifestiert sich gleichsam in der Tatsache, daß Betriebserweiterungen vor allem am jetzigen Standort vorgenommen werden. Das Standortwahlverhalten der befragten Betriebe in NRW kann wie folgt beschrieben werden:

- Der größte Teil der Zweigbetriebe wird außerhalb NRWïs gegründet. Dabei besteht eine eindeutige Präferenz für Standorte innerhalb Deutschlands.

- Die Betriebsteilung bzw. Produktionsauslagerung wird zum größten Teil am jetzigen Standort vorgenommen. Bei einer Produktionsauslagerung außerhalb NRWïs sind vor allem die Staaten Mittel- und Osteuropas attraktiv.

- Betriebserweiterungen werden überwiegend am gegenwärtigen Standort in Nordrhein-Westfalen vorgenommen.

Wirtschaftspolitischer Handlungsbedarf herrscht in erster Linie bei den Standortfaktoren, bei denen eine große Differenz zwischen Bedeutung der Standortfaktoren (Soll-Zustand) und der Zufriedenheit mit ihnen (Ist-Zustand) besteht. Demnach geben in Nordrhein-Westfalen in erster Linie die Standortfaktoren der Kategorien "Kosten", "Arbeitsmarkt" und "Verwaltung" Anlaß, Reformen einzuleiten.

In besonderem Maße verbesserungsbedürftig sind die "Kostenfaktoren", insbesondere das kommunale Steuer- und Abgabenniveau sowie die Entsorgungskosten für Müll und Wasser. Weiterhin wird die mangelnde Flexibilität des Arbeitsmarktes beanstandet. Viele Unternehmen wünschen sich in erster Linie mehr Handlungsspielraum bei der Einstellung/Entlassung von Mitarbeitern, um flexibel auf sich wandelnde Anforderungen des Marktes reagieren zu können. Darüber hinaus halten die Betriebe in Nordrhein-Westfalen eine weitere Flexibilisierung von Arbeitszeiten sowie von Entlohnungsformen für notwendig. Ein großes Defizit sehen die befragten Betriebe in Nordrhein-Westfalen zudem in den "Verwaltungsfaktoren" Bearbeitungsdauer sowie Komplexität behördlicher Genehmigungsverfahren und der eng damit verbundenen (oft fehlenden) Unterstützung durch die kommunale Verwaltung. In diesem Zusammenhang berichteten die befragten Betriebe immer wieder von ähnlich gelagerten Sachverhalten: langwierige Verfahren, fehlende Ansprechpartner bei den Behörden, häufige Nachbesserungsforderungen, unsinnige Auflagen, mangelnde Flexibilität und Entscheidungsbereitschaft der Beamten, Parallelzuständigkeiten und mangelhaftes Servicebewußtsein bei den Behörden. Von den Faktoren der Kategorie "Infrastruktur" bedarf in erster Linie das Straßennetz in Nordrhein-Westfalen einer Verbesserung. Verstopfte Straßen in den Städten und - vor allem im Ruhrgebiet - kilometerlange Staus auf den Autobahnen wirken sich hemmend auf die Produktivität der Betriebe aus. Besonders der vielerorts vorangetriebene Rückbau von Straßen führt zu einer immer weiteren Einschränkung des Verkehrs und somit zu Belastungen der Unternehmen durch längere Transportzeiten und folglich auch zu höheren Kosten.

In den Niederlanden wird - mit Ausnahme der Infrastruktur - ein deutlich niedrigerer Handlungsbedarf bei den untersuchten Standortfaktoren als in Nordrhein-Westfalen diagnostiziert. Da bei der Wichtigkeit der Faktoren kaum nennenswerte Unterschiede zwischen beiden Ländern feststellbar sind, ist dieses Ergebnis eine Folge der wesentlich größeren Zufriedenheit niederländischer Unternehmen mit ihrem Standort.

Das Gesamturteil über den Standort fällt bei den Existenzgründern insgesamt etwas besser aus als bei den alteingesessenen Unternehmen. Für die betrachteten Existenzgründer stellen sich vor allen Dingen folgende Standortfaktoren als besonders problematisch dar:

- Fördermittel/Subventionen (Mangel an Versorgung mit Risikokapital)

- Dauer von Genehmigungsverfahren (erhebliche Zeitopportunitätskosten)

- kommunale Steuern/Abgaben.

Aufbauend auf den Ergebnissen der schriftlichen und mündlichen Befragung wurden folgende konkrete Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Standortqualität in Nordrhein-Westfalen erarbeitet.

In NRW sind an der Genehmigung von größeren Betriebs- oder Infrastrukturanlagen zu viele Behörden gleichzeitig beteiligt. Hier gilt es, die Zuständigkeiten zu bündeln, die Verfahrenswege zu straffen und die Zeitdauer der Verfahren deutlich zu verkürzen. Die Regel sollte sein, daß über Investitionsprojekte letztlich jeweils auf der Ebene entschieden wird, die der räumlichen Auswirkung des Projektes am ehesten entspricht.

Auch was die Gestaltung der Arbeitsbeziehungen im Unternehmen betrifft, lassen sich flexiblere und effizientere Regelungen denken, als sie derzeit bestehen. Viele innerbetriebliche Konflikte, die heute vor den Arbeitsgerichten ausgetragen werden, ließen sich beispielsweise im Wege von Schlichtungsverfahren lösen. Solche Verfahren kommen dem Gedanken einer flexiblen, am Einzelfall orientierten Konfliktlösung entgegen und ersparen den betroffenen Parteien Kosten und Zeitaufwand. Größere Flexibilität wäre auch im Bereich des Kündigungsschutzes und der Entlohnung erforderlich.

Die hohen Kosten für kommunale Dienste wie Abfall- und Abwasserbeseitigung sowie für die Energieversorgung wird man letztlich nur wirksam begrenzen können, wenn die hier bestehenden Monopolstellungen beseitigt werden. Die entsprechenden Dienste sollten daher so weit wie möglich privatisiert und gleichzeitig dem Wettbewerb ausgesetzt werden. Auch die Prüfung der Voraussetzungen für eine Genehmigung könnte ganz oder teilweise an private, miteinander konkurrierende Institutionen delegiert werden.

Weiterhin ist zu fordern, die dringendsten Lückenschlüsse im Straßennetz zügig vorzunehmen, notorische Engpässe entweder entsprechend zu erweitern oder durch geeignete Ausweichtrassen zu entlasten und generell sämtliche stark belasteten Straßen systematisch daraufhin zu untersuchen, wie der Verkehrsfluß gefördert und umweltbelastende Staus vermieden werden können.

In der Genehmigungspraxis sollten den Kommunen möglichst große eigene Ermessensspielräume gegeben werden, beispielsweise in Form von Margen um die üblichen Richtwerte bei Emissionen, in Form von Kompensationslösungen oder auch in Form von vereinfachten Genehmigungen im Falle des Nachweises einer ausreichenden Versicherung gegen mögliche Schäden.

Die Ausweitung der kommunalen Handlungsautonomie könnte auch die Ausweisung von Sonderzonen umfassen, in denen weitergehende Instrumente der Flexibilisierung erprobt werden können. Die Grundidee der Sonderzone besteht zunächst darin, die dort angesiedelten, privatrechtlich selbständigen Betriebe genehmigungsrechtlich in gewissen Grenzen wie ein einziges Unternehmen zu behandeln.

Was die Flexibilisierung der Beschäftigungsverhältnisse betrifft, so ist hier im einzelnen an folgendes zu denken: Die Betriebe könnten die gegenseitige Überlassung von Arbeitnehmern vereinbaren für den Fall, daß Personalengpässe in einem Betrieb mit personellen Überkapazitäten in einem anderen Betrieb zusammenfallen. Es wäre ferner denkbar, im Rahmen eines speziellen Pool-Tarifvertrages auch für die übrigen Arbeitnehmer der teilnehmenden Betriebe neue Modelle der Arbeitszeitgestaltung, der Entlohnungsform sowie der Mitverantwortung im Betrieb auszuprobieren.

Drittmittelgeber:

INVESTITIONS-BANK NRW

Beteiligte Wissenschaftler:

Prof. Dr. Ulrich van Suntum, Dipl.-Volkswirt Stefan Kotte, Dipl.-Volkswirt Thorsten Hellmann
 
 
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Hans-Joachim Peter
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Datum: 1999-07-15