Wettbewerbstheorie und -politik
In diesem Schwerpunkt werden am Lehrstuhl hauptsächlich Fragen behandelt, die das
sogenannte Konzept zur Koordinationsmängeldiagnose (KMD-Konzept) betreffen. Dieses
wurde von Prof. Grossekettler entwickelt und wird in zahlreichen Dissertationen angewendet
und ausgebaut. Es dient der Beurteilung der Funktionsfähigkeit von Märkten und
zeigt, welche funktionalen Marktprozesse es gibt, wodurch ihr Ablauf bestimmt wird, welche
systematischen und dauerhaften Funktionsstörungen (=Koordinationsmängel)
auftreten können, welche Kenngrößen zu ihrer Diagnose in der
Erfahrungswelt anwendbar und wie die Verteilungen ihrer Werte beschaffen sind. Nachdem
1996 die letzten Studien zur empirischen Validierung von Indikatoren für die fünf
im KMD beobachteten Marktprozesse abgeschlossen wurden, verfolgten die Arbeiten zu diesem
Schwerpunkt im Berichtszeitraum vor allem zwei Ziele: die Erstellung von Branchenstudien und
die Erarbeitung eines Störungshandbuches für Marktprozesse. Vor allem die
Branchenstudien profitieren davon, daß Prof. Grossekettler im Berichtszeitraum Mitglied
des Wissenschaftlichen Beirats des ifo Instituts war.
1. Marktstudien
Im Berichtszeitraum legte Dr. Jörg Drecker (mittlerweile Vorstandsassistent der
Gerling-Versicherung) die erste Branchenstudie auf Grundlage der KMD-Idealindikatoren vor.
Für die Elektrotechnischen Industrie der Bundesrepublik hat Drecker den Verlauf der
Marktprozesse in den letzten 20 Jahren nachgezeichnet und analysiert. Seine Arbeit bietet
interessante Einsichten in die grundlegende Funktionsweise von Märkten und erlaubt
Schlußfolgerungen über die strukturelle Anpassungsfähigkeit,
Wettbewerbsfähigkeit und Konjunkturreagibilität der deutschen Wirtschaft. Zur
Weiterentwicklung des KMD-Konzepts trägt die Arbeit insofern bei, als in ihr
KMD-Indikatoren erstmals nicht nur auf Branchenebene, sondern auch auf der Ebene enger
abgegrenzter Märkte erhoben wurden. Begonnen wurden im Berichtszeitraum die
nächsten beiden KMD-Branchenstudien über die Automobil- und die
Maschinenbauindustrie der Bundesrepublik. Diese Arbeiten der Diplom-Volkswirtinnen Simone
Gromer und Anne Stetter werden in Zusammenarbeit mit Marktforschungsinstituten und
Branchenverbänden entstehen.
2. Störungen von Marktprozessen
Dr. Jürgen Hamker (heute Referent bei der Deutschen Bundesbank) hat in seiner
1998 abgeschlossenen "Pathologie der Marktprozesse" die Ursachen für unbefriedigende
Verläufe von Marktprozesse untersucht. Dazu wertete er die in der theoretischen Literatur
vorgetragenen Gründe für zumeist mit Hilfe der Wohlfahrtstheorie diagnostiziertes
Markt- und Wettbewerbsversagen aus. Überprüft wurde, ob sie die
Selbstregulierungsfähigkeit von Markträumungs-, Renditenormalisierungs-,
Übermachterosions- sowie Produkt- und Verfahrensfortschrittsprozessen
beeinträchtigen können. Die empirische Relevanz der herausgearbeiteten
Störungsursachen wird durch Rückgriff auf Branchen- und Querschnittsstudien
belegt. Diese Arbeit ist für die künftig entstehenden KMD-Branchenstudien von
grundlegender Bedeutung: Entdeckt man auf einem Markt beispielsweise unbefriedigend oder
dysfunktional erscheinende Preis- und Mengenbewegungen, wird man in Hamkers
Störungshandbuch auf mögliche Ursachen und weitere Prüfungsschritte
verwiesen.
3. Systemwettbewerb
Frau Dipl.-Vw. Bläsing befaßt sich im Rahmen ihrer Dissertation mit der
Fragestellung, inwieweit die bei der Untersuchung von Gütermärkten gewonnen
Erkenntnisse auch auf den wettbewerbspolitischen Systemwettbewerb übertragen werden
können. Dabei wird insbesondere zu klären versucht, ob eine Harmonisierung der
nationalen Wettbewerbspolitiken in Europa angestrebt werden sollte oder ob angesichts der
gegebenen Ausgangsbedingungen ein Einsatz der Wettbewerbspolitik als Instrument im
Standortwettbewerb vorgesehen werden sollte.
4. Entwicklung eines KMD-Kartellchecks
Die wohlfahrtsschädliche Wirkung von Kartellen läßt sich angesichts
der Uneinigkeit der Ökonomen über die Bewertung "angemessener
Marktergebnisse" nicht leicht erkennen. In Arbeiten zum KMD-Schwerpunkt wird deshalb
untersucht, ob sich bei der Ex-post-Untersuchung von aufgedeckten Kartellen bestimmte
typische Muster von Marktprozessen identifizieren lassen, die kartellierte Märkte von
nicht-kartellierten unterscheiden. Aus der Zusammenschau signifikant anderer Verläufe
beispielsweise von Differenzmengen, Kapazitätswachstumsraten oder
Forschungsausgaben soll ein "Kartell-Syndrom" entwickelt werden, das als
"KMD-Kartellcheck" den Wettbewerbsbehörden die genauere Überprüfung
kartellverdächtiger Märkte nahelegen soll. Eine entsprechende Dissertation wird
von Dipl.Vw. Hans-Georg Muth bearbeitet.
Beteiligte Wissenschaftler:
Veröffentlichungen:
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