Valentina Cristante

Promovierende im Promotionskolleg Empirische und Angewandte Sprachwissenschaft vom SoSe 2014 bis WiSe 2016/17

Akademische Rätin an der Universität Koblenz:

https://www.uni-koblenz.de/de/bildungswissenschaften/institut-fuer-grundschulpaedagogik/ab-sprachbildung/valentina-cristante

Dissertation

The Processing of Non-Canonical Sentences in Children with German as First or Second Language - Evidence from an Eye-tracking Study

Die empirische Forschung zum Zweitspracherwerb und der Mehrsprachigkeit bei Kindern hat sich in den letzten Jahren intensiviert, um angemessene Grundlagen für Fördermaßnahmen im Schulbereich zu schaffen.

Eine wichtige Frage in diesem Zusammenhang ist, wie sich dieser frühe Zweitspracherwerb (L2) nach dem 3./4. Lebensjahr vom Erstspracherwerb (L1) einerseits und vom Zweitspracherwerb von Erwachsenen andererseits unterscheidet. Der Schwerpunktbereich meiner Dissertation ist daher der Erwerb von Morpho-Syntax bei L1- und L2-Kindern im Alter von 7 bis 10 Jahren.

Die Resultate bisheriger Studien sind in diesem Bereich keineswegs einheitlich. Umstritten ist, ob das unterschiedliche Verhalten der L2-Kinder einen qualitativen Bruch oder eine eher quantitative und kontinuierliche Entwicklung in Richtung L2-Erwachsene ist.

Ziel meiner Promotion ist es, einen Beitrag zu dieser Diskussion zu leisten, in dem ich mich auf die Entwicklung der Sprachverarbeitung im Erwerbsverlauf fokussiere. Das Vergleichen der Sprachverarbeitung von L1- und L2-Kindern kann neue Einsichten in die Verarbeitungsmechanismen geben, die die zwei Gruppen verwenden, um Sätze zu interpretieren. Um die Sprachverarbeitung der Kinder zu überprüfen, verwende ich die Eyetracker-Messung mit dem ‚Visual World‘-Paradigma, das eine Interaktion zwischen visuellem Kontext und Sprachverarbeitung unterstellt. Den Probanden werden im Vorfeld aufgenommene vorgelesene Sätze vorgespielt und gleichzeitig Bilder gezeigt, die unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten des Satzinhaltes abbilden. Die visuelle Aufmerksamkeit des Teilnehmers wird mittels Eyetracking erfasst und im zeitlichen Zusammenhang zu den vorgelesenen Sätzen als Manifestation der online Interpretation der Sätze ausgewertet.

Gegenstand meiner Studien sind Sätze, die eindeutig sind, aber deren Wortstellung nicht kanonisch bzw. für die Verarbeitung ungünstig ist. Präziser befasst sich meine Arbeit mit zwei grammatischen Strukturen, Passiv und OVS Sätzen, die allgemein als bildungssprachlich und als typische sprachliche „Stolpersteine“ gelten, die Zweitsprachenlernerinnen und –lernern Schwierigkeiten bereiten.

Diese Strukturen sind in den Lehrplänen des Deutschunterrichts nicht zu finden, kommen in Texten vermehrt vor und spielen eine wichtige Rolle für deren Aufschlüsselung.
Die folgenden Forschungsfragen liegen meiner Arbeit zugrunde:

  • Weisen L1- und L2-Kinder (Erstklässler und Viertklässler) verschiedene Verarbeitungsmuster beim Hören der zwei Strukturen ‚Passivsätze‘ und ‚OVS-Sätze‘ auf?
  • Sind sowohl L1- als auch L2-Kinder fähig, die morpho-syntaktischen Hinweise, die die zwei Satzarten charakterisieren, inkrementell zu verarbeiten, um den Satz zu verstehen, oder erfolgt ihre Interpretation nach dem Hören des Satzes?
  • Falls es Unterschiede zwischen L1- und L2-Kindern gibt, sind sie qualitativer oder quantitativer Natur?

Die Daten meiner Dissertation wurden in getrennten Phasen mit zwei verschiedenen Eyetrackern erhoben. In der ersten Phase wurden die Versuchspersonen mit einem Eyelink I in einem Labor der Universität Osnabrück getestet. Die zweite Testung wurde mit dem Tobii Eyetracker in Osnabrück und Berlin durchgeführt. Der Sprachstand aller Versuchspersonen wurde vor dem Hauptexperiment gemessen. Für die Viertklässler wurden ein C-Test (Griesshaber) und ein Stolpertest (Metze) verwendet. Die jüngeren Kinder wurden mit einem Sentence Imitation Test bewertet.