E1 | Schönheit der Strukturen

Ordnungsprinzipien der Natur

Chaos und Ordnung: seltsam attraktiv

Ordnung und Chaos gehören untrennbar zusammen. Sie bilden die beiden Pole der komplexen Beschreibung der Natur. Wenn in der Wissenschaft von Chaos die Rede ist, dann ist damit kein Durcheinander gemeint. Der Begriff Chaos beschreibt komplexe Systeme, die durch ständige Energiezufuhr sich anders verhalten als abgeschlossene physikalische Systeme. Wir nennen sie dissipativ.

Chaotische Systeme sind in ihrem Zeitablauf nicht zufällig, sondern reagieren lediglich empfindlich auf Veränderungen. Der Flügelschlag eines Schmetterlings in China könnte das Wetter in Münster beeinflussen. Dieser „Schmetterlingseffekt“ beschreibt, was Chaos bedeutet: winzige Ursachen können so große Auswirkungen nach sich ziehen, dass Vorhersagen nahezu unmöglich werden.

Trotz dieser Empfindlichkeit bleiben chaotische Systeme auch merkwürdig gleich. Die chaotischen Bahnen füllen einen Raum immer teilweise. So entstehen Gebilde der Bewegung im Raum, die begrenzt sind und die Bahnen scheinbar „anziehen“. Chaos erzeugt seltsamen Attraktoren.

Bei der Modellierung des Wetters oder des Lasers mit einem Set von drei Gleichungen, den sogenannten Lorenz-Gleichungen, entsteht ein Attraktor, der den dreidimensionalen Raum nur wenig füllt. Dies ist der seltsame Lorentz-Attraktor, auch bekannt als „Schmetterlings-Attraktor“ aufgrund seiner charakteristischen Form.

Lorenz-Attraktor

Weiterführende Links:
Der flatterhafte Falter der Chaosphysik
Erklärung zum Lorenz-Attraktor von Imaginary
Video der Entstehung des Lorenz-Attraktors
Erklärung zu Attraktoren (auf Englisch)

Chaotische Pendel

Schwingende Systeme zeigen besonders gut die Natur nichtlinearer Phänomene. Ein einzelnes Pendel schwingt nur hin und her. Zwei aneinander gekoppelte Pendel ergeben auch rotierende Zustände. Die Bewegung von drei Pendeln wird nie langweilig; auch wenn man länger beobachtet, findet man nicht dieselbe Schwingung: sie schwingen chaotisch. Magnetpendel zeigen deterministisches Chaos auf besonders anschauliche Weise räumlich: Eine Pendelspitze wechselwirkt mit dem Magnetfeld dreier (im Bild links) oder von fünf (im Bild rechts) Magneten in der Bodenplatte und zieht merkwürdige, chaotische Bahnen. Das Pendel landet bei sehr nahen Startpositionen immer bei einem anderen Magneten der Bodenplatte. Kleinste Änderungen in den Anfangsbedingungen ergeben ein anderes Resultat. Färbt man den Einzugsbereich der drei Magnete ein, so zeigt sich die Schönheit des raumzeitlichen deterministischen Chaos. Die Ähnlichkeit mit Farbmischungen, mit Milch im Kaffee oder Zigarettenrauch zeigt: Turbulenz ist raum-zeitliches Chaos.













Bilder freundlicherweise bereit gestellt von Paul Nylander, Universität von Kalifornien in Irwine, USA, www.bugman123.com

Weiterführende Links:
Erklärung zum Magnetpendel
Magnetpendel im virtuellen Physiklabor der Universität Kassel
Video zum Magnetpendel mit vielen Magneten

Bistabilität - wie unser Hirn getäuscht wird

Bistabilitat gehört zu den elementarsten Beispielen nichtlinearer Dynamik. Sie beschreibt die Eigenschaft von dissipativen Systemen, zwei stabile Zustände einnehmen zu können, wenn ein äußerer Impuls den Wechsel von einem zum anderen Zustand erzeugt. Diese Systeme heißen bistabil. Ein beeindruckendes Beispiel sind sogenannte Kippfiguren. Im gleichen Bild erkennen wir zwei verschiedene Formen – eine Vase oder ein Gesicht, oder abwechselnd zwei verschiedene Gesichter. Unsere Wahrnehmung springt zwischen diesen beiden Inhalten hin und her, wenn wir uns anstrengen.

Hermann Haken, der Begründer der Synergetik, der Lehre von komplexen nichtlinearen Systemen, in denen das Gesamte mehr ist als die Summe der Einzelteile, konnte zeigen, dass die Bistabilität in Kippbilder ein Phänomen der nichtlinearen Wechselwirkung zwischen zwei sehr ähnlichen Zuständen darstellt. Ein berühmtes Kippbild zeigt eine junge oder alte Frau – je nach Blickwinkel. In der Ausstellung zeigen wir Drehbilder, die nach Drehung immer ein neues überraschendes Bild ergeben. Diesen Effekt hatte schon Guiseppe Archimboldo im 16. Jahrhundert für seine Stilleben genutzt.





















Weiterführende Links:
Prinzipien der Synergetik in Spielzeugen
Funktionsweise von Kippbildern 1
Funktionsweise von Kippbildern 2
Kippbilder und Drehbilder

Fraktale Welt

BrocolliromanescoFraktal heißen Objekte, bei denen das Ganze seinen kleineren Bestandteilen ähnelt. Das ist bei Bäumen der Fall, bei Kristallen, langen Polymermolekülen, aber auch Ansammlungen von Galaxienhaufen. Betrachten wir ein fraktales Objekt unter veränderlichem Maßstab wie mit einem Zoom-Objektiv, so ist innerhalb weiter Grenzen keine Längenskala besonders ausgezeichnet ist: Ein beliebiger Teil des Objekts sieht, bei entsprechender Vergrößerung, im Wesentlichen so aus wie das ganze Objekt. Wir sprechen deshalb von der Selbstähnlichkeit der fraktalen Strukturen. Das Titelmotiv der Highlights, der Broccoli Romanesco, zeigt sehr gut fraktales Verhalten.
 
Das berühmteste Fraktale Objekt ist die Mandelbrotmenge. Die Apfelmännchen, die Benoit Mandelbrot aus dieser mathematischen Funktion erzeugte, gehören zu den schönsten künstlerischen Darstellungen von Fraktalen.
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Weiterführende Links:
Welt der Physik – Fraktale
Fraktale in der Natur
Fraktale und Selbstähnlichkeit
Flussnetzwerke und fraktale Struktur
Was hat Schönheit mit Chaos zu tun? Mandelbrot vs. Chaospendel
Arte Film zu Fraktalen
Bilder der Mandelbrot-Menge
Flug in eine Mandelbrot-Menge

Strukturbildung und Muster: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile

Die Vielfalt unserer Welt bildet sich aus dem Zusammenwirken der Einzelteile. Eine einzelne Ameise mag schwach sein, doch in der Gemeinschaft einer Ameisenkolonie sind sie intelligent und stark. Schwärme von Fischen und Vögeln sind weit mehr als einzelne Tiere: das Gesamte ist mehr als die Summe der einzelnen Teile.

Selbstorganisation und Strukturbildung sind charakteristische Eigenschaften von solchen Vielteilchensystemen; sie ergeben sich aus dem Zusammenwirken einer ungeheuer großen Zahl von Einzelteilen. Wenn Wasser gefriert, Wolkenmuster und Wanderdünen sich ausbreiten, oder wenn wir uns an Mustern in Muscheln, Blättern oder Tierfellen freuen, dann erfolgt dies nach Regeln komplexer Systeme.

Bemerkenswerter Weise gibt es eine Universalität der Strukturbildungsgesetze: völlig verschiedene physikalische, chemische oder auch biologische Systeme zeigen dasselbe Verhalten. So entstehen in vielen verschiedenen Systemen hexagonale Strukturen.
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Weiterführende Links:
Selbstorganisation und Strukturbildung
Joachim Schlichting’s Welt – physikalisch gesehen: Strukturbildung
Woher hat das Zebra seine Streifen? 
Von der Dissipation zur dissipativen Struktur

Spiralen in verschiedenen Systemen

Einen überwältigenden Reichtum an Formen der Selbstorganisation finden wir in der Biologie. In Muscheln, in Pilzkolonien, bei der Anregung von Nerven oder Muskeln, aber ganz besonders auffällig in Blüten und Blätteranordnungen treten besonders oft Spiralen auf. Auch wenn die Abfolge von Blütenblättern einer Pflanze unregelmäßig aussieht, verbirgt sich dahinter eine überraschende Symmetrie. Die Anzahl der Spiralen kann durch die legendäre Fibonacci- Reihe beschrieben werden. Und der Winkel zwischen benachbarten Blättern oder Blüten ist der Goldene Winkel. Die Natur wirkt damit nicht nur besonders ästhetisch, sie ist besonders effektiv in der Selbstorganisation, und dies hilft wiederum der Fortpflanzung.
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Bild freundlicherweise erstellt von Stephan Deneke

Weiterführende Links:
Was ist eine Spirale? Mathematische Basteleien
Spiralen-Projekt der Uni Freiburg
Spiralen, von Jürgen Berkemeier
Mathematik und Natur
Fibonacci Zahlen in Tannenzapfen und Ananas
Videos: Spirals, Fibonacci and Plants I (English)
Videos: Spirals, Fibonacci and Plants II (English)
Videos: Spirals, Fibonacci and Plants III (English)