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Deutschland als Herausforderung

Sprachwissenschaftlerin pflegt enge Beziehungen zu China
20110825 China
Prof. Dr. Susanne Günthner, Zhu Quiang, Ma Ying und Dong Jing / Foto: WWU - Grewer
© Uni MS - Grewer

"Es war für mich eine besondere Herausforderung, Deutsch zu lernen, weil diese Sprache so schwierig ist", sagt Zhu Qiang. Der 27-Jährige promoviert seit Oktober 2009 in der Abteilung für Sprachwissenschaft im Germanistischen Institut der Universität Münster. Dass es ihn ausgerechnet nach Deutschland verschlagen hat, ist kein Zufall: Denn Prof. Dr. Susanne Günthner, seine Doktormutter, ist die international führende Expertin für interkulturelle Kommunikation.

Und so hat es nicht nur Zhu Qiang nach Münster gezogen, sondern auch Dong Jing und Ma Ying. Letztere ist Deutschlehrerin in der Inneren Mongolei und setzt noch ein Master-Studium obendrauf. Dong Jing promoviert ebenfalls, und zwar über die Frage, wie gesprochenes Deutsch in den chinesischen Lehrwerken über Deutsch als Fremdsprache vermittelt wird. "Chinesische Studenten lernen mehrere Jahre Deutsch. Danach können sie es zwar gut schreiben, aber kaum sprechen, weil das alltägliche gesprochene Deutsch einfach nicht geübt wird. Außerdem haben sie kaum Kontakt zu Deutschen."

Auch Zhu Qiang hat sich der interkulturellen Kommunikation verschrieben. Er untersucht Anmoderationen auf Chinesisch und Deutsch bei Wissenschaftskonferenzen: Wie werden Vortragende bei chinesischen und deutschen Tagungen vorgestellt? Welche Höflichkeitskonventionen gibt es hierfür im chinesischen und deutschen Kontext? Wie werden die Vortragenden sowie die Zuhörer angesprochen? Wie wird der Status der Beteiligten sprachlich markiert? Und Ma Ying hat sich für ihre Masterarbeit die Modal- und Diskurspartikeln in chinesischen SMS-Nachrichten vorgenommen. Modal- und Diskurspartikeln sind jene kleinen Wörter, die der gesprochene Sprache entstammen und auch Eingang in SMS-Nachrichten gefunden haben, um die Mitteilungen informeller und nähesprachlicher zu gestalten, beispielsweise "hey". Im Deutschen sind Modal- und Diskurspartikeln gut untersucht, nun will die 29-Jährige schauen, wie sie im Chinesischen – und zwar in den Neuen Medien – verwendet werden.

Dank Internet kamen die drei nicht in eine vollkommen fremde Welt, als sie nach Münster zogen. Trotzdem gibt es für sie viel zu lernen: "Die Sprache ist dabei kein Problem", sagt Zhu Qiang, "aber Forschungsmethoden, -theorien und -standards haben wir erst in Deutschland kennengelernt." Und Susanne Günthner ergänzt: "Germanistikstudierende lernen in China während ihrer Ausbildung oftmals primär die deutsche Sprache. An vielen chinesischen Hochschulen kommen sie während ihres Bachelor- und selbst während des Masterstudiums kaum mit wissenschaftlichen Theorien, Methoden und Fragestellungen in Kontakt. Wenn sie dann nach Deutschland kommen, merken sie, dass sie zwar einen Bachelor oder sogar einen Master im Fach Germanistik erworben haben, aber im Grunde genommen nur wenig mit den hiesigen wissenschaftlichen Methoden und Theorien des Faches vertraut sind. Eigentlich bräuchten sie dann erst einmal eine Einarbeitungszeit in das Fach sowie in gängige Arbeitsmethoden."

Eine solche Einarbeitungsphase gibt es zwar nicht strukturiert, aber die Atmosphäre am Institut ist so gut, dass sich die Doktoranden untereinander helfen und sich austauschen. Außerdem steht die Tür der Sprachwissenschaftlerin immer offen: "Im ersten Semester bin ich fast in jede Sprechstunde gegangen", erinnert sich Zhu Qiang. Fünf Jahre hat Susanne Günthner in China gelebt, daher weiß sie, wie schwierig es in einem fremden Land werden kann. Dong Jing hat eh "keine Zeit für Heimweh", und außerdem bleibt noch der Chat für den Kontakt mit Freunden und Familien – "da kommt dann gleich noch die praktische Erfahrung mit der Kommunikation über die Neuen Medien dazu", sagt die 24-Jährige lächelnd.

Zurück nach China wollen alle drei. Doch die Eingewöhnung könnte schwierig werden. "In China akzeptiert man, was die Lehrer sagen, man lernt nicht, zu argumentieren", erklärt Zhu Qiang. "Anfangs war es ganz ungewohnt, selbstständig wissenschaftlich zu arbeiten. Die Lehre an chinesischen Universitäten ist gut, aber die Atmosphäre für Forschung nicht ideal." Dong Jing aber ist zuversichtlich: "Das wird sich in den nächsten Jahren ändern, weil so viele Chinesen in Deutschland studieren."

Kooperation Münster-Xi'an

Homepage von Prof. Dr. Susanne Günthner

Forschung A-Z: Prof. Günthner