• Autoren und Werke

  • 1. Hartmann von Aue
  • 1.1 Der arme Heinrich

  • 2. Walther von der Vogelweide
  • 2.1 Zu den Reichssprüchen
    Walthers von der Vogelweide

  • 3. Neidhart

  • 4. Gottfried von Neifen

  • 5. Zum Nibelungenlied

  • 6. Zum Kürenberger

  • 7. Heinrich von Morungen
  • Neidhart

    Gemessen am Umfang und der Zeitspanne seiner Textüberlieferung (ca. 1500 Strophen in 25 Handschriften und 3 Drucken des 13.-16. Jh.s) darf Neidhart, der Begründer des so genannten ‚dörperlichen Minnesangs’, als der erfolgreichste mittelhochdeutsche Lyriker nach Walther von der Vogelweide gelten. Seine herausragende literarische Stellung bestätigen über 50 Nennungen seines Namens in unter- schiedlichsten literarischen Werken des Mittelalters sowie zahlreiche Nachahmungen seiner Dichtkunst.

    Angesichts der frühesten namentlichen Erwähnung im ›Willehalm‹ (312,12ff.) muss Neidhart bereits um 1217, als Wolfram von Eschen- bach seinen legendenhaften Roman verfasste, einen gewissen Bekanntheitsgrad gehabt haben. In dieser ersten Schaffensperiode war der Minnesänger, wie seinem Werk zu entnehmen ist, im bayerischen Raum tätig, wohl für den Herzogshof in Landshut, zudem vielleicht für den erzbischöflichen Hof in Salzburg. Ob er auch in Bayern geboren ist, muss mangels urkundlicher Belege unsicher bleiben; über seine soziale Herkunft kann ebenfalls nur spekuliert werden. Dass sich Neidhart in seiner zweiten Schaffensperiode erfolg- reich um eine Anstellung am Wiener Hof bemüht hat, geht aus mehreren an Herzog Friedrich II. gerichteten Bitt-, Lob- und Dank- strophen hervor. Der Wechsel von Bayern nach Österreich, den die Forschung ungefähr auf 1230, das Jahr des Regierungsantritts Herzog Friedrichs II., datiert, kommt in Neidharts WL 24 explizit zur Sprache. Da der Tod des Herzogs im Jahr 1246 kein Echo im neidhartschen Werk findet, dürfte der Minnesänger vor diesem Ereignis, wohl um 1240, gestorben sein.

    Neidharts größte literarische Innovation besteht darin, dass er das im ‚klassischen’ höfischen Werbelied inszenierte Minnegeschehen in die Welt der Bauern transponiert. Seine Lieder, die fast ausnahmslos über einen Natureingang verfügen, werden (nach dem Vorbild der ›Riedschen Handschrift‹) in zwei Gruppen, Sommer- und Winterlieder (SL, WL), unterteilt. Die Sommerlieder, für die Neidhart die so genannte ‚Reienstrophe’ konzipiert hat, beginnen mit einem Aufruf des Sänger-Ichs zu Freude und Tanz im Freien. An diesen Aufruf knüpfen in der Regel Gespielinnengespräche oder Mutter-Tochter-Dialoge an, in denen Bauernmädchen ihre Liebe zum Sänger-Ich, einem Ritter, der sich nach seinem (fiktiven) Stammsitz ‚der von Reuental’ nennt, offen legen. Den Standesunterschied, der eine legitime Beziehung mit dem Reuentaler für sie von vornherein unmöglich macht, nehmen die Bauernmädchen nicht wahr, denn sie fühlen sich wie Damen. Die Winterlieder sind, nicht nur durch ihre Kanzonenform, enger am traditionellen Minnesang orientiert. In ihnen wirbt das Sänger-Ich erfolglos um die bäuerliche Geliebte, deren Gunst den Dorfburschen, den dörpern (von mnd. dorp = nhd. Dorf), gehört. Diese Konkurrenten des Sänger-Ichs erheben sich durch ihre kostbare Kleidung und Bewaffnung über ihren Stand. Allerdings agieren sie bei Tanz und Spiel in der Stube äußerst plump und gewalttätig (der Spiegelraub des Bauern Engelmar an Vriderûn ist z.B. ein häufig wiederkehrendes Motiv), ein Umstand, der ihr höfisches Auftreten als bloße Attitüde entlarvt. Auch die Bauern- mädchen in den Sommerliedern, deren triebhafte Natur allenthalben zum Vorschein kommt, machen sich lächerlich, wenn sie sich kultiviert geben. Insgesamt wird der Anspruch des adeligen Publikums auf Exklusivität durch den neidhartschen Minnesang also bestätigt.

    Das – in der Überlieferung gespiegelte – lang anhaltende Interesse des Mittelalter an Neidharts Liedern dürfte nicht zuletzt damit zusam- menhängen, dass der Minnesänger ab dem 14. Jh. in der Rolle des sprichwörtlichen Bauernfeindes in zahlreichen Schwankerzählungen und weltlichen Spielen weiterlebt.

     

    Literatur:

    Siegfried Beyschlag: Neidhart. In: VL2 6 (1987), Sp. 871-926.

    Günther Schweikle: Neidhart. Stuttgart 1990 (= SM 253).





    Neidhart im Codex Manesse
    
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