Kommentar |
De Lektürekurs vermittelt Zugänge zum vielseitigen Werk Adornos, damit zu den Arbeiten und zu den Denkfiguren eines herausragenden Vertreters der Kritischen Theorie. Das Thema einer kritischen Soziologie erlebt in der Gegenwart eine gewisse Renaissance. Normative Fragen (Fragen des moralischen Urteils und der soziologischen Stellungnahme zu gesellschaftlichen Faktizitäten, die eine „wertfreie“ Bestandsaufnahme nicht nur ergänzen, sondern selbst dem Verdacht auf eine Art höheren Mitläufertums aussetzen) drängen sich gegenwärtig vermehrt auf, vor allem im Lichte des Problems sozialer Ungleichheit. Und diese Fragen werden teilweise unter Rückgriff auf die ältere Tradition der Kritischen Theorie Frankfurter Art bearbeitet. Das gesellschaftstheoretische Niveau (aber auch die allgemein-theoretische Komplexität), für das (für die) besonders Adorno steht, wird dabei allerdings allzu häufig unterschritten, so dass ein Rückgriff auf das Original allemal lohnend ist, gerade wenn das Projekt einer kritischen Sozialwissenschaft unter Gegenwartsbedingungen für dringend erachtet wird.
Der Lektürekurs führt dabei in so voraussetzungsreiche Theorieformen wie „negative Dialektik“, „Vorrang des Objekts“ oder „Denken des Nicht-Identischen“ entlang eines zentralen Themas ein: am Leitfaden der Frage nach der „Natur“ (gerade auch weil die „Naturalisierung“ sozio-historisch gewachsener Routinen der Gesellschaft mittlerweile neue, z.B. neurowissenschaftlich „fundierte“, Formen angenommen hat).
Mit dem Titel: „Natur der Gesellschaft“ ist bewusst ein doppeldeutiger Ausdruck gewählt worden: er bezeichnet notwendig zweierlei: 1) die Formen, in denen gesellschaftliche Ordnungen die innere und die äußere Natur des Humanen (d.h. die „natürlichen“ Grundlagen des Globus und die „Triebstruktur“ des kulturell überformten Menschen) bearbeiten, 2) die „zweite Natur“, zu der die gesellschaftlich geschaffene soziale Realität, nach Adorno vor allem: die Prinzipien der instrumentellen Vernunft und der Selbsterhaltung im Medium der Konkurrenz, durch strukturelle Verschleierungen dieser Gewordenheit (d.h. der prinzipiellen „Kontingenz“) erklärt wird.
Beide Aspekte hängen auf eine spezifische Art miteinander zusammen, die bereits für basale Grundmotive Adornos bezeichnend sind: kein Zugang zur Natur „an sich“ (natura naturans und natura naturata), sei es praktischer oder theoretischer Art, kann unabhängig von der gesellschaftlichen Konstruktion des vermeintlich „Natürlichen“ erfolgen, so dass auch die Kritik an „Naturalisierungen“ sich fragen (lassen) muss, woher sie ihren Gegenbegriff einer „unverstellten“ Natur denn eigentlich nehmen will. Mit diesen Fragen und ergänzenden Problemstellungen aus der Perspektive der Kritischen Theorie wird der Lektürekurs sich ausgewählten Schriften Adornos widmen. (Lektüre wird am Anfang der Veranstaltung bekannt gegeben). |
Literatur |
Fischer-Lescano, Teubner: Fragmentierung des Weltrechts: Vernetzung globaler Regimes statt etatistischer Rechtseinheit. In: Mathias Albert und Rudolf Stichweh (Hg.), 2007: Weltstaat und Weltstaatlichkeit: Beobachtungen globaler politischer Strukturbildung, Verlag für Sozialwissen-schaften, Wiesbaden.
Niklas Luhmann: Das Recht der Gesellschaft. Suhrkamp, 1993.
Manfred Rehbinder: Rechtssoziologie. C.H. Beck, 2009.
Max Weber: Rechtssoziologie. (hrsg. von Johannes Winckelmann), Luchterhand, Darmstadt / Neuwied, 1967. |