Kommentar |
Der oft bemühte Spruch, der besagt, dass das Gesetz des Betens dem Gesetz des Glaubens entspricht (bzw. entsprach oder entsprechen sollte), ist viel mehr ein Problemanzeiger als ein hermeneutisches Grundprinzip der Liturgieinterpretation. Als solcher lädt er allerdings zu vielen Fragen ein, die das spannungsvolle Verhältnis von Glauben und Liturgie ergründen lassen. Seit sich Theologen darum bemühen, liturgische Texte zu standardisieren, ist beteuert und oft als evident vorausgesetzt, dass in Liturgien Theologien transportiert, bewahrt oder veröffentlicht werden. Wenn das liturgische Reden-zu-Gott Ernstfall eines distanzierten Redens-über-Gott ist, kommt liturgischem Text eine große Dignität zu. Wie weit die beiden Weisen (zu oder über Gott) zu sprechen ineinander übersetzt werden können und sollen, muss aber diskutiert werden. Die Referate und Diskussionseinheiten des Seminars sollen anhand der Liturgie als Quelle nach Antworten auf die Fragen des Moduls (Wer ist Gott? Wie ist Gott? etc.) suchen. Was bedeutet(e) es z.B. für ein christliches Verständnis der Psalmen, wenn in ihren Sprechern oder ihren Adressaten Christus hineingedacht wird? Was ist aus der Gottesanrede Herr in der Liturgie zu schließen? Nachdem Liturgie nicht auf das reine Studium von Texten eingeschränkt werden kann, sind auch andere Dimensionen Gegenstand der Gottesfrage: Was bedeutet es für das Gottesbild, wenn sich Respektsbezeugungen gegenüber Herrschern aus der Vergangenheit in der Liturgie im Ausdruck der Begegnung mit Gott erhalten haben oder wenn die Kirche als Ort für die liturgische Versammlung nicht mehr eine Stadthalle, sondern lieber einen Platz, an dem zuvor andere Gottheiten verehrt wurden, übernimmt? |