Kommentar |
Welche Folgen bringt ein gesellschaftlicher Primat der kapitalistischen Wirtschaft für die übrigen gesellschaftlichen Teilsysteme und deren Akteure mit sich? Wie wird ein solcher (differenzierungstheoretisch) überhaupt begründet? Die funktional differenzierte, moderne Gesellschaft beschreibt Schimank als eine, in der die Wirtschaft eine Sonderrolle einnimmt. Die im kapitalistischen Wirtschaftssystem im Vergleich zu anderen Teilsystemen herausragende Leistungsfähigkeit der Wirtschaft führe zwar zu einer unüberbotenen „Warensammlung” (Marx 1859: 15), auf die die moderne ausdifferenzierte Gesellschaft fuße. Diese Vormachtstellung gefährde die moderne Gesellschaft aber auch substanziell. Die Dysfunktionalitäten des kapitalistischen Wirtschaftens zeigten sich, „[…] zum einen in Gestalt einer hohen Krisenanfälligkeit wirtschaftlichen Geschehens, zum anderen als Subordination aller anderen Teilsysteme unter wirtschaftliche Zwänge, was in Gestalt von Ökonomisierungsdruck auf nicht weniger als eine Gefährdung der Autonomie von Kunst, Wissenschaft, Bildung oder Politik hinausläuft – und damit letztlich auf eine Gefährdung funktionaler Differenzierung überhaupt” (Schimank 2013: 51). Dieser „gesamtgesellschaftliche Primat der kapitalistischen Wirtschaft” wird auch differenzierungstheoretisch „alles andere als unkontrovers” diskutiert. Vielmehr sei seit Weber eher eine „Frontstellung” gegen einen in erster Linie durch den Marxismus behaupteten Primat der kapitalistischen Wirtschaft zu beobachten. Parsons (1966: 174) beschreibe Letzteren als „Ein-Faktor-Theorie”, der damit zur „Kindergartenstufe” gesellschaftstheoretischen Denkens gehöre. Luhmann (1973a: 81) spricht von „alteuropäischen” Relikten im Selbstverständnis der Moderne und formuliert die gesellschaftliche Gleichwertigkeit aller Teilsysteme (Schimank 2013: 50f.). Schimank behauptet demgegenüber zwar ebenso wie Marx eine gesellschaftliche Vormachtstellung der kapitalistischen Wirtschaft, sein Ziel ist es aber, die „massiven gesamtgesellschaftlichen Dysfunktionalitäten des wirtschaftlichen Geschehens” nicht mit marxistischen Konzepten oder einer politischen Perspektive, sondern differenzierungstheoretisch zu erklären. Im Seminar wird ein Fokus auf Uwe Schimanks akteurzentrierte Differenzierungstheorie gelegt, mit der er gesellschaftlichen Wandel aus einem Spannungsverhältnis von teilsystemischem Eigen-Sinn und intersystemischer Arbeitsteilung resultierend beschreibt. Anhand empirischer Beispiele und immer auch die (Des-)Integration des (arbeitenden) Individuums in den Blick nehmend wird ein Instrumentarium vorgestellt, mit dem bestehende gesellschaftliche Differenzierungsdynamiken analysiert werden können. Schimanks zeitgenössische These einer Sonderrolle der kapitalistischen Wirtschaft wird dabei mit den Perspektiven Marx' und Webers kontrastiert. Arbeitsformen: Wert gelegt wird auf interaktive und multimedial gestützte Arbeits- und Präsentationsformen. Dabei wird den Teilnehmenden inhaltlich und formell größtmöglicher Spielraum gelassen. |