Kommentar |
Die weg- und ortsbezogene fromme Praxis der Wallfahrt gehört zu den facettenreichsten religiösen Formaten der Vormoderne. Es gab sie als Nah- und als Fernwallfahrt (Jerusalem/Hl. Land, Rom, Santiago de Compostela); zu den Zielen zählten die Schauplätze des Lebens, Wirkens und Leidens Christi und der Apostel, aber auch Schauplätze von Wundern und Erscheinungen, Heiligen- und Märtyrergräber, Reliquien und Gnadenbilder. Menschen pilgerten, um Buße zu tun, zu danken, zu bitten und Heilung zu erlangen oder Fürbitte für andere, Lebende und Verstorbene, einzulegen, in Erfüllung von Gelübden, der frommen Verehrung und Erbauung halber oder zum Zwecke des Ablasserwerbs. Während die Reformation das fromme Format der Wallfahrt ablehnte, avancierte es im Zuge der Gegenreformation, vor allem in Gestalt der Nahwallfahrten, zu einem „wesentliche[n] Element der katholischen praxis pietatis“ und zu einem „identitätsbildende[n] Differenzkriterium im Gegenüber zur protestantischen Konfession“ (Hartmut Kühne).
Das Hauptseminar gibt Gelegenheit, das Wallfahrtswesen des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit anhand ausgewählter Beispiele und Quellen zu studieren. Dabei wird u.a. auch die Wallfahrt nach Rom während der Heiligen Jahre ausführlich behandelt. Gelesen werden außerdem auch Texte aus dem Bereich der reformatorischen Wallfahrtskritik. |
Literatur |
Literatur:
Paul Berbée: Die Romwallfahrt aus der Sicht stadtrömischer Quellen zwischen 1377 und 1550. Prämissen und Probleme ihrer Erforschung, in: Jahrbuch für Volkskunde, NF 9 (1986), S. 85-111.
Wolfgang Brückner: Wallfahrt. IV. Frömmigkeitsgeschichtlich, in: Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., hg. v. Walter Kasper, Bd. 10, Freiburg/Br. 2001, Sp. 963-965.
Thomas Frank/Michael Matheus/Sabine Reichert (Hgg.): Wege zum Heil. Pilger und Heilige Orte an Mosel und Rhein (Geschichtliche Landeskunde, Bd. 67), Stuttgart 2009.
Werner Freitag: Volks- und Elitenfrömmigkeit in der Frühen Neuzeit. Marienwallfahrten im Fürstbistum Münster (Veröffentlichungen des Provinzialinstituts für Westfälische Landes- und Volksforschung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Bd. 29), Paderborn 1991.
Jyri Hasecker: Die Johanniter und die Wallfahrt nach Jerusalem (1480-1522) (Nova mediaevalia, Bd. 5), Göttingen 2008.
Peter Hersche: Muße und Verschwendung. Europäische Gesellschaft und Kultur im Barockzeitalter, Bd. 2, Freiburg/Br. 2006, S. 794-845.
Hartmut Kühne: Wallfahrt/Wallfahrtswesen. V. Kirchengeschichtlich, in: Theologische Realenzyklopädie, hg. v. Gerhard Müller, Bd. 35, Berlin 2003, S. 423-430.
Ludwig Schmugge: Deutsche Pilger in Italien, in: Siegfried de Rachewiltz/Josef Riedmann (Hgg.), Kommunikation und Mobilität im Mittelalter. Begegnungen zwischen dem Süden und der Mitte Europas (11.-14. Jahrhundert), Sigmaringen 1995, S. 97-113.
Wallfahrt und Alltag in Mittelalter und früher Neuzeit. Internationales Round-Table-Gespräch Krems an der Donau 8. Oktober 1990 (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse, Sitzungsberichte, Bd. 592/Veröffentlichungen des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit, Nr. 14), Wien 1992. |