Kommentar |
Nach Max Weber besteht „Herrschaft“ darin, für einen Befehl „bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden“ (Soziologische Grundbegriffe: §16). „Disziplin“ heißt für ihn, für einen Befehl „prompten, automatischen und schematischen Gehorsam“ (s.o.) zu finden. Gehorsamkeit und Disziplin in dem Sinne, dass Menschen sich nicht nur in ihrer Berufsrolle sondern in ihrer gesamten Lebensführung mit Haut und Haaren einer Regel oder einem Befehl unterwerfen und sich komplett in den „Dienst“ einer Sache stellen, scheint nicht leicht mit modernen Autonomiepostulaten in Einklang zu bringen zu sein. Nicht freiwillig gewählte Fremdbestimmung (in Gefängnissen, geschlossenen psychiatrischen Einrichtungen usw.), die zur totalen Überwachung und Beherrschung führt, ist zwar durchaus ein modernes Phänomen, aber was ist mit dem freiwilligen Entschluss, sich so für eine Sache zu engagieren, dass man in eine (totale [Goffman] oder gierige [Coser]) Institution eintritt oder sich für eine Lebensführung entscheidet, die sich exklusiv einer Idee/einem Ziel verschreibt?
Ziel des Seminars ist es, die Begriffe „Gehorsam“, „Disziplin“ und „Engagement“ theoretisch zu beleuchten, d.h. in den Kontext unterschiedlicher Theoriesprachen zu stellen, um ein Gespür dafür zu bekommen, welchen Sinn Regeln, Befehle, Normen usw. für eine moderne, reflexive Lebensführung haben können. Insbesondere am prototypischen Fall des modernen Klosterlebens wird im Seminar dieser Frage nachgegangen. Je nach Interesse der Teilnehmer_Innen können noch weitere Fälle in Blick genommen werden.
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