Mr. Pressestatistik: Kommunikationswissenschaftler 

Walter J. Schütz gestorben

(09.12.2013) Ein halbes Jahrhundert lang hat Dr. h.c. Walter J. Schütz wöchentlich jede einzelne Ausgabe der deutschen Tageszeitungen durchgeblättert, sortiert und empirisch ausgewertet – eine mühevolle Detailarbeit, die 1954 am Institut für Publizistik, dem heutigen IfK, begann. Ende November ist der Alumnus und Ehrendoktor der Universität Münster im Alter von 83 Jahren gestorben.

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(Foto Quelle: Bernd Arnold)

Meinungsbildung beginnt auf der lokalen Ebene, wird nach wie vor wesentlich von Regionalzeitungen bestimmt. Wie viele es davon gibt und wie groß damit die Meinungsvielfalt ist, gilt als eine wichtige Komponente der Demokratie. Diesen Parameter empirisch zu bestimmen, war eine der Lebensaufgaben von Walter J. Schütz. 1954 begann er mit gerade einmal 24 Jahren die erste so genannte Stichtagssammlung. Ausgangspunkt war die Behauptung, es gäbe immer weniger Lokalausgaben in Deutschland und damit immer weniger Möglichkeiten, sich über Politik, Sport und Kultur direkt vor Ort zu informieren. Doch belastbare Daten dafür gab es nicht, so dass Schütz auf die Idee kam, die einzelnen Ausgaben erstmals gesammelt auszuwerten. Denn hinter einem oftmals identischen "Mantel", dem überregionalen Umschlagteil, verbergen sich mitunter zig verschiedene Lokalteile. Um ebenso die unterschiedlichen wirtschaftlichen Verflechtungen zu benennen (mal eigenständige kleine Verlage, die den Mantel einkaufen, mal Unterabteilungen des eigenen Verlags), definierte Schütz als erster die Begriffe der „Publizistischen Einheit“ und des „Verlegers als Herausgeber“ – Standard für Generationen von Studierenden der Kommunikationswissenschaft, denen „der“ Schütz auch als einer der Herausgeber des Standardwerks „Medienrecht“ ein Begriff ist.

Als leidenschaftlichem Zeitungsleser waren ihm die bekannten Stichtagssammlungen nur nach außen hin ein Graus. Dann mussten immerhin rund 12.000 Zeitungen pro Woche in seinem Privathaus in Bonn untergebracht werden. Doch heimlich genoss es Schütz, wenn er wieder eine Neugründung oder eine lange vermisste Lokalausgabe entdeckte. Zu seinen Mitstreitern und Gästen gehörten viele der bekanntesten Publizisten Deutschlands, für seine Arbeit bekam er nie Geld, doch immerhin das Bundesverdienstkreuz.

Persönlicher Werdegang

Geboren wurde Walter Justus Schütz am 27. Juli 1930 in Bochum. Von 1949 bis 1953, nach dem Abitur an der Oberrealschule Deggendorf, studierte er Germanistik, Publizistik, Geographie und Geschichte an den Universitäten Münster (als Schüler von Walter Hagemann) und München. Während dieser Zeit war er auch freier Mitarbeiter der Wattenscheider Lokalzeitungen, im Frühjahr 1953 zudem Praktikant in der Nachrichtenredaktion des Funkhauses Köln des NWDR. Von 1953 an war er bei Hagemann wissenschaftlicher Mitarbeiter am damals noch unter dem Namen geführten Institut für Publizistik der Universität Münster. 1954 leitete er dort die erste Stichtagssammlung der bundesdeutschen Tageszeitungen mit ihren damals 1500 unterschiedlichen Ausgaben, der in den Jahrzehnten danach sieben weitere folgen sollten. Seine umfangreiche Tätigkeit zum quantitativen Aufbau, zur Struktur und Entwicklung des deutschen Pressemarktes nach 1949 brachte ihm den Namen „Bonns Mr. Pressestatistik“ (FAZ) ein. Von 1960 bis 1995 war Schütz im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung tätig, zunächst als Hilfsreferent und von 1967 an als Regierungsrat im Referat Pressedokumentation, Pressearchiv und Bibliothek, zuletzt als Leiter des Medienreferats im Rang eines Ministerialrats. Von 1970 bis 1995 war Schütz mitverantwortlich für die Medienberichte der Bundesregierung und ebenso für die kommunikationswissenschaftlichen Forschungsprojekte der Bundesregierung. 1983 wurde er Ehrendoktor des Instituts für Publizistik der WWU, dem heutigen Institut für Kommunikationswissenschaft.