angst als Mobilisator und Demobilisator in wahlkämpfen


Person Flemming, Felix
Zeitraum 2013 bis 2017
Institution

Institut für Kommunikationswissenschaft

Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Bispinghof 9 – 14

48143 Münster

Schlagworte Wählermobilisierung, Wahlkampfkommunikation, Angst, politische Beteiligung, Demokratie
Methode Befragung

Abstract


Wahlen haben in repräsentativen Demokratien einen hohen Stellenwert, da sie maßgeblich zur Legitimation von Parteien und Kandidaten wie auch dem gesamten politischen System beitragen. In Wahlkämpfen versuchen die politischen Parteien und Kandidaten, die Wählerschaft von ihren Zielen, Interessen und ihrer Programmatik zu überzeugen. Aufgrund vielfältiger Gründe und Entwicklungen gelingt die Mobilisierung des Elektorats zunehmend mühsamer, was sich unter anderem in sinkenden und von ehemaligen Höchstständen weit entfernten Wahlbeteiligungsraten. Nicht nur durch eine niedrige Beteiligung, sondern zusätzlich durch diese ungleiche soziale Verteilung der Partizipation geraten nämlich zwei zentrale Prinzipien und Indikatoren für Stabilität und Akzeptanz einer Demokratie—Legititimation und Repräsentation—unter Druck.

Ausgehend von der Schwierigkeit der kommunikativ bewirkten politischen Mobilisierung einer ermüdeten Wählerschaft werden in der wissenschaftlichen, aber auch zunehmend in der gesellschaftlichen Debatte diskutiert und analysiert, warum die Aktivierung zur Beteiligung so mühsam geworden ist und wie bzw. unter welchen Rahmenbedingungen sich das eventuell ändern, also verbessern, lässt. Diese Arbeit begründet begründet zunächst und überprüft dann empirisch, ob ein Elektorat in Angst unter bestimmten Bedingungen politisch mobilisiert oder demobilisiert wird. Dass Ängste der Wählerschaft eine relevante Rolle innerhalb des Bundestagswahlkampfs 2017 zukommen kann, lässt sich in Bezug auf drei Entwicklungen vermute: eine Politik der Angst, einerseits verursacht durch den Aufstieg und Erfolg populistischer Parteien, welcher die etablierten Parteien und Politiker im Kampf um entscheidende Wählerstimmen unter Druck setzen kann und diese zwingt, zwar in einer etwas weniger intensiven und drastischen Tonlage die kommunikative Strategie der Angst zu adaptieren. Soziologische Gegenwartsdiagnosen betonen, dass westliche Gesellschaften immer mehr zu Angstgesellschaften werden, in welchen eine culture of fear (Furedi, 2005) herrscht (siehe auch Bauman, 2006; Bude, 2014). Delanty (2008) spricht von einem Zeitalter der Ängstlichkeit, einem „age of anxiety“ (S. 676). Für Dehne (2017, S. 95) ist Angst „das Grundgefühl der Gegenwart". Als dritte Facette eines vermuteten Bedeutungsgewinns von Angst in westlichen Gesellschaften erweist sich die Beobachtung insbesondere einiger Autoren aus den USA, dass die Massenmedien Angst, Gefahren und Bedrohungen als quotenträchtig entdecken (Glassner, 1999; Wahlberg & Sjöberg, 2000) und damit durch ihre Berichterstattung maßgeblich zur Angstkonstruktion der Gesellschaft beitragen. So stellen „Informationen gerade in modernen Gesellschaften eine zentrale Bedingung der Entstehung von [...] Ängsten dar" (Dehne, 2017, S. 243).

Die beiden übergeordneten Fragestellungen dieser Arbeit sind: 

  • Aus welchen Quellen speist sich die Angst der Wählerschaft?
  • Von welchen Faktoren ist es abhängig, ob durch die Angst des Elektorats ein Mobilisierungseffekt eintritt und unter welchen Bedingungen sein Gegenteil?

In einem ersten Schritt geht es darum zu klären, welchen Quellen und Kognitionen verantwortlich für die Angstentstehung im Elektorat sein können. Es wurde schon angedeutet, dass vielfältige Rahmenbedingungen—Kontakt mit politischer Kommunikation, kulturelle Faktoren und die Exposition gegenüber Medienberichterstattung—zur Angstentstehung beitragen können. Persönlichkeitseigenschaften sind ebenso nicht zu vernachlässigen. Durch diesen ersten Teil der empirischen Untersuchung wird versucht, das relative Gewicht der Vielzahl an Quellen so präzise wie möglich zu erfassen. Kurzum: Es wird untersucht, welche Kognitionen Angst überhaupt erzeugen. Anknüpfend daran wird analysiert, wie Angst in Bezug auf das campaign involvement wirkt. Könnte es sein, dass Angst Wähler zusätzlich mobilisiert und damit positive Folgen für die Demokratie hat? Oder kann zu viel Angst gar zu einer Demobilisierung führen?