Politische Kommunikation und Direkte Demokratie. Die Rolle von Medien und Kommunikation bei Volksentscheiden


Leitung Prof. Dr. Frank Marcinkowski
Bearbeitung Prof. Dr. Frank Marcinkowski, Julia Metag M.A. und Studierende des M.A. Kommunikationswissenschaft
Institution Institut für Kommunikationswissenschaft
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Bispinghog 9 – 14
48143 Münster
Zeitraum Seit April 2011
Finanzierung Eigenmittel
Klassifikation Medienwirkungen auf politische Meinungsbildung zu Sachfragen
Schlagworte Volksentscheid, Direkte Demokratie, Medienwirkung, Meinungsbildung
Präsentation Frank Marcinkowski: Direct Democracy and the Crisis of Public Communication” – Findings from two German Case Studies. Paper presented to the 4th International Conference on Direct Democracy in Modern Europe, 3 - 5 May 2012, Andrássy University Budapest

Abstract


Nicht zufällig ist die Forderung nach mehr sachunmittelbaren Mitentscheidungsmöglichkeiten auch in Deutschland eine häufig gehörte Reaktionen auf die „nicht eingehaltenen Versprechen der Demokratie“ (Bobbio). Die Befürworter einer Ergänzung unseres repräsentativen Systems durch direktdemokratische Institution verbinden damit nicht nur die Hoffnung auf sachgerechtere Entscheidungen, sondern vor allem auf die Erwartung umfassenderer Partizipation, von mehr Bürgerbeteilung an Politik, höhere Mobilisierungsfähigkeit demokratischer Prozesse und nicht zuletzt die Steigerung politischer Informiertheit und politischen Interesses. Alle diese demokratieförderlichen Wirkungen können natürlich nicht durch den Abstimmungsvorgang selbst erzeugt werden, durch den eigentlich Gang zur Urne, sondern sie sind nur vorstellbar als Resultat eines intensivierten öffentlichen Kommunikationsprozesses im Umfeld der Ausübung von Volksrechten. Mit anderen Worten: die Hoffnungen auf „Mehr Demokratie“ durch direktdemokratische Verfahren basieren nicht zuletzt auf der Erwartung einer deutlichen Belebung politischer Öffentlichkeit und eines steigenden Stellenwerts öffentlicher Meinung. Genau hieran knüpfen sich aber auch Befürchtungen, etwa die Angst vor einer simplifizierenden, unsachlichen und emotional geführten öffentliche Debatte, die zu nicht kalkulierbaren und letztlich irrationalen Entscheidungen der Stimmbürger führt. Diese Befürchtungen haben nicht nur dazu geführt, dass Volksentscheide auf Bundesebene nach wie vor nicht implementiert werden, sondern sind auch für die zum Teil recht hohen Hürden verantwortlichen, mit denen sich Bürgerentscheide in Ländern und Kommunen konfrontiert sehen.

Methode


Nachdem sich die (politische wie wissenschaftliche) Debatte in Deutschland über viele Jahrzehnte vor allem auf Erfahrungen aus dem Ausland berufen hat, wenn sie nicht vollständig ideologisch geführt worden ist, ist es an der Zeit, die Wirklichkeit der direkten Demokratie in Deutschland in den Blick zu nehmen. Das hiermit angezeigte Projekt liefert einen Beitrag zu dieser Aufgabe. Es stützt sich (bisher) auf zwei telefonisch durchgeführte Umfragen (insgesamt rd. 500 Befragte), die im Kontext von zwei Bürgerentscheiden im Jahr 2011 durchgeführt worden sind: einem kommunalen Bürgerentscheid über den Bau einer Umgehungsstrasse in einer ländlichen Kommune Nordrhein-Westfalens und dem Volksentscheid in Baden-Württemberg über den Bau des Stuttgarter Tiefbahnhofs. Die Fallstudien adressieren insgesamt vier Fragenkomplexe:

  1. Werden einfache Bürger durch Sachentscheidungen überfordert bzw. (wie) können Bürger die Kompetenz erwerben, politische Sachfragen selber zu entscheiden?
  2. Lassen sich Bürger von Medien und Kampagnenkommunikation in ihrem Stimmverhalten manipulieren?
  3. Wird der Sachentscheid durch sachfremde oder politisch-taktische Kalküle überlagert?
  4. Werden Volksabstimmungen von ahnungslosen Ignoranten entschieden?