Schubert: „Neuwahlen aus guten Gründen letzte Option“

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Schubert: „Neuwahlen aus guten Gründen letzte Option“

Nach dem Aus der Jamaika-Sondierungsgespräche erklärt Prof. Dr. Klaus Schubert im Interview, welche Möglichkeiten es nun gibt und warum Neuwahlen zunächst nicht sinnvoll sind.

Nach dem Ausstieg der FDP aus den Jamaika-Sondierungen bleiben drei Möglichkeiten: Die SPD erklärt sich doch zu einer Großen Koalition bereit, eine Minderheitsregierung oder Neuwahlen. Wie sinnvoll sind diese Alternativen?

Schubert: Wir haben eine geschäftsführende Regierung, es gibt keinen Staatsnotstand oder eine große Krise. Vielmehr sind die Parteien aufgerufen, mit dem Ergebnis der Wahl umzugehen. Es ist grundsätzlich Aufgabe des Bundespräsidenten, in so einer etwas verfahrenen Situation einzugreifen und allen Parteien, die in Frage kommen, Druck zu machen und sie an ihre Pflichten zu erinnern. Ich denke, da ist noch ziemlich viel Raum für Überzeugungsarbeit und dann wird man sehen, ob es eine ordentliche Möglichkeit gibt für eine Mehrheit. Vielleicht gibt es die Möglichkeit einer großen Koalition. Oder auch den Versuch, mit einer Minderheitsregierung ein, zwei Jahre über die Runden zu kommen, damit nicht sofort Neuwahlen notwendig sind. Eine Minderheitsregierung könnte ja z.B. durch ein Duldungsabkommen stabilisiert werden. Also wenn z.B. die FDP- oder SPD-Fraktion eine Schwarz-Grüne Minderheitsregierung duldet.

Also halten Sie Neuwahlen nicht für zielführend?

Schubert: Es geht natürlich nicht, dass die Bevölkerung so lange wählt, bis es den Politikern passt. Das Volk hat am 24. September gesprochen und es ist jetzt Aufgabe der Politiker, daraus etwas zu machen. Das ist ihre Pflicht und Schuldigkeit – dafür sind sie gewählt worden. Außerdem: Alle Umfragen zeigen, dass das nächste Wahlergebnis – sollte es zu Neuwahlen kommen – keinen wesentlichen Unterschied bietet zu dem alten. Sodass wir dann wieder in der gleichen Situation wären.

Erklären sich nicht Parteien, die zu einer Wahl antreten, automatisch auch zum Regieren bereit?

Schubert: Naja, manche beschränken sich auch auf das Opponieren. Aber grundsätzlich ist das genau das, was der Bundespräsident gesagt hat: Parteien, die sich zur Wahl stellen und gewählt werden, müssen sich auch dieser Pflicht stellen. Da kann man nicht einfach alles hinschmeißen oder sich verweigern. Das ist im konkreten Fall die FDP, aber auch die SPD. Letztere haben natürlich ein Argument, das nicht völlig von der Hand zu weisen ist. Nach der Großen Koalition in der letzten Legislaturperiode hat es ein Wahldebakel gegeben, sowohl auf der Seite der CDU, insbesondere aber auf der Seite der SPD, die ja von einem niedrigen Niveau noch einmal tiefer gefallen ist. Insofern kann man schon sagen, die große Koalition ist abgewählt worden. Aber daraus den Schluss zu ziehen, dass eine große Koalition ausgeschlossen wird, ist auch nicht richtig. Mal sehen, was der Bundespräsident im Gespräch mit den Parteien erreichen kann. Dann wird man weitersehen. Aber es wäre zu früh, jetzt zu sagen: Wir brauchen Neuwahlen.

Spielt das derzeitige Scheitern von Jamaika den Rechtspopulisten in die Karten? Das Wahlergebnis würde voraussichtlich nahezu unverändert bleiben bei Neuwahlen.

Schubert: Ich sehe da keinen unmittelbaren Zusammenhang. Ja, die Populisten werden sich – wen wundert’s – bestätigt sehen. Soweit es bisher schon Umfragen gibt, gibt es keine Anzeichen, für wesentliche Veränderungen bei den Wählern und Wählerinnen. Jetzt ist erst einmal die Politik in der Pflicht. Wenn auf dieser Seite alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind – aber erst dann – sollte man an Neuwahlen denken.

Klaus Schubert im Interview mit Antenne Münster hören Sie hier.