Veranstaltungen im Sommersemester 2017


Vorlesungen


DR. RÜDIGER SCHMIDT
088207 Vorlesung: Die Französische Revolution
Mo./Mi. 14-15 Uhr, Beginn Mittwoch 19.4.2017
Die Französische Revolution „wurde zum Laboratorium der Moderne, indem sie in der kurzen Spanne eines Jahrzehnts die unterschiedlichen Verfassungsformen entwickelte, die für das 19. und 20. Jahrhundert wirkungsmächtig werden sollten, von der konstitutionellen Monarchie über die Republik bis zur bonapartistischen Diktatur“ (Thamer). Die Ursachen und Ziele des umstürzenden Umbruchs von 1789 erstreckten sich mit gleicher Intensität auf die Sphäre von Staat und Politik wie auf die primär lebensweltlich integrierten Daseinsbereiche des öffentlichen und privaten Bereichs. Immer weniger hat sich seit geraumer Zeit eine Vorstellung von der Revolution behaupten können, die in den sozial-ökonomischen Wandlungsprozessen die entscheidende Zäsur der Jahre um 1789 ausmachte. Immer mehr hat sich demgegenüber die leitende Perspektive von einem revolutionär induzierten „Bruch des gesellschaftlichen Bewußtseins“ (Koselleck) durchgesetzt, der sich nicht nur als Folge, sondern mindestens genauso als Voraussetzung für die gravierenden Umbrüche in den Bereichen des kulturellen Lebens, der veränderten Kommunikationserfahrung und dem tiefgreifenden Wandel der Wertesysteme bewerten läßt. Die Vorlesung thematisiert die finale Krise des französischen Ancien Régimes sowie die Ursachen und Ziele, den Verlauf, die Zäsuren und die Folgen der Revolution bis zum Beginn des napoleonischen Zeitalters.
Literatur zur Einführung: François Furet/ Denis Richet, Die Französische Revolution, Frankfurt a.M. 1989. Rolf Reichardt, Das Blut der Freiheit. Französische Revolution und demokratische Kultur, Frankfurt a.M. 1998. Christina Schröer, Republik im Experiment. Symbolische Politik im revolutionären Frankreich (1792-1799), Köln/Weimar/Wien 2014. Hans-Ulrich Thamer, Die Französische Revolution, München 42013.

Kurs


DR. RÜDIGER SCHMIDT
088292 Kurs: Deutsche Verfassungsgeschichte vom Ende des Alten Reiches bis zur Weimarer Republik
Fr. 14-16 Uhr; Beginn: 2. Vorlesungswoche
Staatliche Macht konstituiert sich in Formen des Rechts und begründet so erst ihren Legitimitätsanspruch. Mit dem umfassenden Anspruch auf politische Teilhabe, der Erkämpfung von subjektiven Rechten – vor allem der Menschenrechte – und dem Verlangen nach Rechtsgleichheit, -sicherheit und Freiheitssicherung waren die Untertanen vor über zweihundert Jahren angetreten, das Prinzip der Volkssouveränität durchzusetzen, um sich schließlich als Staatsbürger ihrer neu gewonnenen politischen Autonomie zu vergewissern und veränderte Dimensionen der Rechtsgeltung zu institutionalisieren. Das Seminar thematisiert einleitend den konstitutionellen Diskurs um die amerikanische und französische Verfassung im 18. Jahrhundert, um sich dann der Verfassungsgeschichte und –kultur der deutschen Staaten zuzuwenden.
Literatur zur Einführung: Peter Brandt/Martin Kirsch/Arthur Schlegelmilch (Hg,), Handbuch der europäischen Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert. Institutionen und Rechtspraxis im gesellschaftlichen Wandel, Bd. 1: Um 1800, Bonn 2006. Wolfgang Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Eurpopas von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 2002. Manfred Botzenhart, Deutsche Verfassungsgeschichte 1806-1949, Stuttgart 1993. Dieter Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte 1776-1866. Vom Beginn des modernen Verfassungsstaats bis zur Auflösung des Deutschen Bundes, Frankfurt a.M. 1988.


Proseminare

DR. CHRISTOPH LORKE
088225 Proseminar: Diskriminierung – Ausgrenzung – Vernichtung. Antisemitismus und Judenverfolgung in Deutschland 1933-1945
Mi. 8-10, 14-16 Uhr, Beginn: 19.4.2017
Lange vor der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ waren antijüdische Ressentiments in Deutschland verbreitet, zunächst in Form des traditionellen Antijudaismus, später des modernen Antisemitismus bzw. des Rassenantisemitismus. Mit dem Jahr 1933 avancierte antisemitisches Gedankengut jedoch gewissermaßen zur Staatsdoktrin und mündete letztlich im Zuge einer „kumulativen Radikalisierung“ (Hans Mommsen) in der Shoah – der systematischen Ermordung der europäischen Juden. Das Proseminar beleuchtet Voraussetzungen, Hintergründe, Etappen und Dynamiken dieses Prozesses. Außerdem werden die Studierenden mit den grundlegenden Methoden und Techniken der Neueren und Neuesten Geschichte vertraut gemacht. Hierfür sind umfangreiche praktische Übungsanteile vorgesehen. Für einen Leistungsnachweis sind neben einer regelmäßigen und aktiven Teilnahme das Halten eines Referats, das Bestehen einer Klausur sowie das Verfassen einer Hausarbeit erforderlich.

DR. NIKLAS LENHARD-SCHRAMM
088223 Proseminar: Der Traum von Fliegen. Geschichte der Luftfahrt im 19. und 20. Jahrhundert
Do. 12-14, 16-18 Uhr, Beginn: 20.4.2017
Die Fliegerei hat die Geschichte des 20. Jahrhundert in besonderem Maße geprägt. Der uralte Traum, den Luftraum zu erobern, erhielt bereits ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert mit der Ballonfahrt und der Gleitfliegerei größeren Auftrieb, wurde dann aber mit der motorisierten Luftfahrt seit Beginn des 20. Jahrhundert immer weiter verwirklicht. Neue Technologien ermöglichten, in bislang unbekannte Sphären vorzudringen. Die politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Auswirkungen dieser Entwicklung waren äußerst vielseitig. Verschiedenste Bereiche wurden durch die Luftfahrt revolutioniert, das Militär ebenso wie das Verkehrswesen oder die Wissenschaft. Die Fliegerei hatte von Beginn an eine enorme wirtschaftliche Bedeutung und beschleunigte auch den Globalisierungsprozess nachhaltig. Zugleich waren mit der Fliegerei auch immer bestimmte gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen, Ideologien und Utopien verbunden. Das Proseminar will die Entwicklung der Luftfahrt nachzeichnen und dabei deren politische, gesellschaftliche und kulturelle Bedeutung beleuchten. Für das Bestehen des Proseminars sind eine aktive Teilnahme inkl. Referat, das Bestehen einer Klausur und das Verfassen einer Hausarbeit obligatorisch.
Literatur: Helmuth Trischler / Kai-Uwe Schrogl (Hrsg.), Ein Jahrhundert im Flug – Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland 1907–2007. Frankfurt am Main 2007; Lutz Budraß, Adler und Kranich. Die Lufthansa und ihre Geschichte 1926–1955. Blessing, München 2016; Wolfgang Behringer / Constanze Ott-Koptschalijski, Der Traum vom Fliegen: Zwischen Mythos und Technik. Frankfurt am Main 2016.

Hauptseminare


DR. RÜDIGER SCHMIDT
088228 Hauptseminar: Preußen im Zeitalter der Reformen
Mo. 18-20 Uhr; Beginn: 2. Vorlesungswoche
Mit dem Zeitalter der Reformen, das sich nicht nur auf Preußen, sondern zudem auf die Konföderation des Rheinbundes bzw. süddeutsche Staaten erstreckte, verbanden sich maßgebliche Initiativen zur gesellschaftspolitischen, staatlichen und wirtschaftlichen Modernisierung, die darauf zielten, den Modernisierungsvorsprung des (post) revolutionären Frankreich aufzuholen. Zu diesem Zweck wurde eine umfangreiche Reformgesetzgebung ins Werk gesetzt, die die „Belebung des Gemeingeistes und des Bürgersinns“ (Frhr. V. Stein) bezweckte und mit der alles in allem der Übergang von der Untertanen- zur Staatsbürgergesellschaft eingeleitet wurde. Von der Einkommenssteuer über die Gewerbefreiheit bis zur kommunalen Selbstverwaltung und zur allgemeinen Wehrpflicht wurden jene Pfeiler des modernen Staates installiert, die (zumeist) auch heute noch zum Grundbestand moderner Staatlichkeit zählen. Das Seminar thematisiert u.a. die verschiedenen Reformbereiche, darunter die Beseitigung von Rechtsschranken, die Implementation des Reformgedankens in der öffentlichen Verwaltung, Dekorporierungstendenzen in der Gesellschaft und das Vordringen der marktbedingten Klassen.
Literatur zur Einführung: Stefan Haas, Die Kultur der Verwaltung. Die Umsetzung der preußischen Reformen 1800-1848, Frankfurt a.M./ New York; Reinhart Koselleck, Preußen zwischen Reform und Revolution. Allgemeines Landrecht, Verwaltung und soziale Bewegung von 1791-1848, Stuttgart 1967; Paul Nolte, Staatsbildung als Gesellschaftsreform. Politische Reformen in Preußen und den süddeutschen Staaten 1800-1820, Frankfurt a.M./New York 1990.

Übungen

DR. RÜDIGER SCHMIDT
088291 Übung: Die Geschichte der neuzeitlichen Stadt im Überblick
Do. 16-18 Uhr; Beginn: 20.4.2017
Schon seit längerer Zeit haben in der Geschichtswissenschaft der Alltag und lebensweltlich dimensionierte Kontexte, kulturell geprägte Dispositionen und kleinräumige Untersuchungsebenen vermehrt die Aufmerksamkeit der Forschung auf sich gezogen. Hat dieser in der Fachöffentlichkeit nicht widerspruchs- und kritiklos erfolgte Trend zur Mikrohistorie auch die an die Stadtgeschichte gerichteten Fragestellungen in spezifischer Weise verändert, so hat die moderne Urbanisierungsforschung in einer tendenziell gegenläufigen, eher strukturorientierten Perspektive die sich aus dem Modernisierungsprozess des 19. Jahrhunderts ergebenden demographischen, industriell-gewerblichen und sozialpolitischen Verwerfungen in den Blick genommen, für die die Stadt in gewisser Weise den Ausgangs- und Endpunkt zugleich bildete. Wie kaum eine andere Teildisziplin der Geschichtswissenschaft hat die Stadtgeschichtsforschung darum verschiedene historiographische Richtungen und Impulse auf sich vereinigt und dabei auch von intensiver erforschten Gegenstandsbereichen der Sozialgeschichte – etwa der Geschichte des Bürgertums – profitiert. Das Seminar will längsschnittartig Grundlinien der Entwicklung aufzeigen, aber auch an ausgesuchten Beispielen die Knotenpunkte der einschlägigen Forschung thematisieren.
Literatur zur Einführung: Klaus Gerteis, Die deutschen Städte in der Frühen Neuzeit. Zur Vorgeschichte der ‚bürgerlichen Welt’, Darmstadt 1986. Wolfgang R. Krabbe, Die deutsche Stadt im 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen 1989. Horst Matzerath, Urbanisierung in Preußen 1815-1914, Stuttgart/Mainz 1985. Jürgen Reulecke, Geschichte der Urbanisierung in Deutschkand, Frankfurt a.M. 1985. Heinz Schilling, Die Stadt in der Frühen Neuzeit, München 1993.

DR. MARKUS KÖSTER
088268 Übung: Weimar im Westen. Die Jahre 1918-1933 in filmischen und fotografischen Quellen aus Westfalen
Mo. 16-18 Uhr; Beginn: 24.4.2017
Das Kriegsende und die Revolution im November 1918 markierten in ganz Deutschland einen Epochenbruch. Politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich war die Weimarer Republik auch in Westfalen von Beginn eine Zeit der Krisen und scharfen Gegensätze, die bis heute das öffentliche Bild dieser Jahre bestimmen: die innere Schwäche der Demokratie, rechts- und linksradikale Revolten, Ruhrbesetzung und Inflation, Weltwirtschaftskrise und schließlich der Aufstieg der Nationalsozialisten.
Doch neben politischer Instabilität und wirtschaftlichen Depressionen kennzeichneten auch vielfältige kulturelle Aufbrüche die Weimarer Jahre. Einer davon verband sich mit dem noch jungen Medium Film, das damals enorme Popularität gewann. Film wurde nicht nur zum massenkulturellen Phänomen, er entwickelte sich in den 1920er Jahren genau wie die schon etwas ältere Fotografie auch zu einer neuen Quelle der Regionalgeschichte. So sind im Archiv des LWL-Medienzentrums für Westfalen eine ganze Reihe von Fotografien und Filmen aus dieser Zeit überliefert, die verschiedene Aspekte der Politik-, Sozial- und Kulturgeschichte der Weimarer Zeit in Westfalen spiegeln.
Der Umgang mit solchen visuellen Quellen bedarf spezifischer Kenntnisse – archivisch wie geschichtswissenschaftlich. Die Übung möchte an ausgewählten Beispielen aus den Jahren 1918 bis 1933 Wert und Grenzen von Filmen und Fotografien als Quellen der westfälischen Geschichte diskutieren und zugleich einen Einblick in die Arbeit eines regionalen Medienarchivs geben.
Empfohlene Literatur zur Einführung: Christoph Thonfeld: Krisenjahre revisited. Die Weimarer Republik und die Klassische Moderne in der gegenwärtigen Forschung, in: Historische Zeitschrift 302 (2016), S. 390-420; Ludger Grevelhörster: Geschichte Westfalens in der Weimarer Republik. www.westfaelische-geschichte.de/web39; Klaus Kreimeier/ Antje Ehmann/ Jeanpaul Goergen (Hg.): Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland. Bd.2: Weimarer Republik (1918-1933), Ditzingen 2005; Wilfried Reininghaus: Fotografien in der Landes- und Ortsgeschichte Westfalens. Eine Bestandsaufnahme, in: Westfälische Forschungen 58 (2008), S. 21-42.

PD. DR. KLAUS GROSSE KRACHT
088269 Übung: Antiparlamentarisches Denken in der Weimarer Republik. Der Fall Carl Schmitt
Mi. 10-12 Uhr, Beginn 19.4.2017
Carl Schmitt (1888-1985) gilt als der umstrittenste deutsche Staatsrechtler und politische Theoretiker des 20. Jahrhunderts. Der von vielen als ‚Kronjurist’ des Dritten Reichs angesehene Jurist steht wie kein zweiter für die Kritik von Liberalismus und Parlamentarismus. Bereits in der Weimarer Republik hat seine Kritik am bestehenden politischen System Deutschlands die Geister geschieden, zugleich aber auch die Verteidiger der modernen Demokratie zu einem vertieften Verständnis von Parlamentarismus und Rechtsstaatlichkeit angeregt. Schmitts Erbe wirkte bis in die Gründungsgeschichte der Bundesrepublik fort und hat führende Intellektuelle in Westdeutschland während der 1950er und 1960er Jahre geprägt.
In der Übung sollen zentrale Schriften Schmitts gelesen und kritisch diskutiert werden, auch im Hinblick auf gegenwärtige populistische Angriffe auf Parlamentarismus und Rechtstaatlichkeit.
Einführende Literatur: Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus (1923), seitdem mehrere Nachdrucke; ders. Positionen und Begriffe im Kampf mit Weimar – Genf – Versailles, 1923-1939 (1940), seitdem mehrere Nachdrucke; Stefan Breuer, Carl Schmitt im Kontext. Intellektuellenpolitik in der Weimarer Republik, Berlin 2012; Reinhard Mehring, Carl Schmitt – Aufstieg und Fall. Eine Biographie, München 2009.