Einführungen in die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts
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BONAPARTISMUS

(tl) Der Begriff Bonapartismus (auch Cäsarismus oder Napoleonismus) bezeichnet eine autoritäre Herrschaftsform, die sich sowohl vom monarchisch-absolutistischen wie auch vom parlamentarischen System unterscheidet. Er stammt aus dem neunzehnten Jahrhundert. Abgeleitet wurde er aus der Herrschaft Napoleons III. (ein Neffe Napoleons I.), der am 2. Dezember 1851 durch einen Staatsstreich an die Macht kam.

Charakteristisch für die bonapartistische Herrschaftsform ist zum einen die faktische Alleinherrschaft eines Einzelnen, zum anderen aber auch deren Stützung durch plebiszitäre Elemente ("Abstimmungen" über die Person des Regenten aber auch eine auf Prestige abzielenden imperialistischen Außenpolitik zur Mobilisierung der Massen). Ihre vorherrschenden Instrumente sind das Militär und ein ausgebauter Polizeiapparat. Neben solchen repressiven Momenten zielen bonapartistische Regimes in der Regel auch auf eine Modernisierung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft (so verfolgte Napoleon III. ein ambitioniertes sozialpolitisches Programm). Hierbei werden zum Teil sogar Konzessionen an demokratische Tendenzen gemacht (bei Napoleon III. durch die Gewährung des allgemeinen Wahlrechts bei den plebiszitären "Abstimmungen"). Aufgrund dieses ambivalenten Erscheinungsbildes, lässt sich der Bonapartismus von seiner sozialen Funktion her keinem bestimmten Klasseninteresse zuordnen. Eher stellt er einen Versuch dar, zwischen den maßgeblichen gesellschaftlichen Kräften zu vermitteln. Allerdings ist grundsätzlich eine deutliche Frontstellung gegenüber dem "roten Gespenst" (Arbeiterbewegung/Gewerkschaften/Sozialdemokratie) erkennbar (eine durch Arbeiteraufstände in Paris ausgelöste Revolutionsangst innerhalb des französischen Bürgertums war ein wichtiger Grund für den Erfolg Napoleons III.).

Unter den verschiedenen Deutungsmustern des Bonapartismus ist die marxistische die prominenteste. Karl Marx sah in der Herrschaft Napoleons III. den Versuch, die bürgerliche Besitzordnung zu schützen, indem gleichzeitig der Bourgeoisie ihre politischen Rechte geraubt wurden. Friedrich Engels wandte diese Theorie dann zu ersten Mal auf die Politik Bismarcks an. Dieser Analyse schloss sich unter anderem auch Hans-Ulrich Wehler an. Er bezeichnete Bismarcks Regierungszeit als "bonapartistisches Diktatorialsystem". Dieses habe auf der einen Seite die ökonomischen Interessen des Bürgertums zufriedengestellt (z.B. durch Erhebung von Schutzzöllen auf Eisen und Stahl) und die Gesellschaft in Teilbereichen modernisiert (z.B. Sozialpolitik und Gewährung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts bei Reichtagswahlen). Auf der anderen Seite aber habe es auch die Stellung der traditionellen Eliten (v.a. der ostelbischen Junker) gefestigt und versucht (sozial-) demokratische Kräfte zurückzudrängen.

Literatur: Dieter Groh: Cäsarismus (Napoleonismus, Bonapartismus, Führer, Chef, Imperialismus), in: Literatur GG, Bd. 1, S. 726-771.

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