Etwas von Gott

Dreifaltigkeit C: Spr 8,22-32

I
Jedes Gebet, jeden Gottesdienst beginnen wir Christinnen und Christen im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Und im Credo bekennen wir Gottes Dreifaltigkeit. Wissen wir, was wir sagen, wenn wir so sprechen? Ja – und auch: Was glauben wir, wenn wir so bekennen? Gott allein weiß, wie viele Theologen sich darüber schon die Köpfe zerbrochen haben. Und gerade die besten von ihnen sind bis heute immer wieder zum gleichen Ergebnis gekommen, nämlich: Im Reden über Gott ganz bescheiden, behutsam zu werden und am Ende eigentlich gar nicht mehr über ihn zu reden, sondern ihn schweigend anzubeten, so ein Thomas von Aquin im Mittelalter, so ein Karl Rahner im 20. Jahrhundert, der kurz vor seinem Tode von sich sagte, er fühle sich wie ein leeres ausgeronnenes Fass angesichts dessen, was er eigentlich gewollt habe. Und ich glaube, das alles ist gut so.

II
Natürlich müssen wir trotzdem immer wieder auch von Gott sprechen, weil wir ja Glaubensgemeinschaft sind, etwas Gemeinsames teilen, dieses Gemeinsame durch Verkündigung über die Zeiten hinweg weitergeben und nach unserem Selbstverständnis auch nach außen und sogar auf dem Forum der öffentlichen Vernunft etwas von Gott zu sagen haben. Aber wir tun gut daran, dabei in allem Maß zu nehmen an dem, was die Bibel über Gott sagt.

III
Dreh- und Angelpunkt allen Redens von Gott ist für uns Christen Jesus von Nazaret. Er, der gläubige Jude, hat ganz im Einklang mit dem Glauben seines Volkes Gott „lieber Vater“ genannt. Nicht, um uns Gott als alten Herrn mit langem Bart vor Augen zu malen, sondern um im Gleichnis auszudrücken, wie Gott ist: Einer, der schützt und behütet, der verteidigt und Sorge trägt – von unbedingter Verlässlichkeit. Wenn wir mit der Bibel und Jesus Gott „Vater“ nennen, dürfen wir darüber aber nicht vergessen, dass schon ein Prophet wie Jeremia Gott auch „Mutter“ nannte, nicht um zu behaupten, Gott sei in Wirklichkeit eine Frau, sondern dass Gott auch wie eine Mutter ist: Leben schenkend, Leben erhaltend, zärtlich, voll Güte - jemand, bei dem man sich wie ein Kind an den Rockzipfel hängen darf, wenn einem zum Heulen ist. Gott, den wir Vater nennen, ist so Vater, dass er zugleich Mutter ist. Merken Sie, wie schnell unsere Sprache an ihre Grenzen stößt? Und doch fangen wir gerade durch diese Grenzen an, etwas von Gott zu ahnen. Kein Zufall, dass der 33-Tage-Papst Johannes-Paul I., als er im Herbst 1978 von Gott unserer Mutter sprach, viele aufhorchen ließ.

IV
Der, der uns Gott als Vater – und durch die Art, wie er war, auch als Mutter - nahegebracht hat, – ihn, Jesus, nennen Christinnen und Christen den Sohn. Wir sagen damit: Jesus gehört so untrennbar zu Gott, dass wir Gott gar nicht kennen würden, gäbe es Jesus nicht. Ganz gehört er in Gottes Geheimnis hinein. Was derart zusammengehört, kann nicht irgendwann vorher oder nachher getrennt sein. Darum sagen wir Christen: Jesus ist Gottes Sohn seit aller Zeit und für alle Zeit. Aufregend muss man wohl nennen, was sich so auftut für uns. Und doch ist es noch nicht alles. Denn der, den wir Sohn nennen, der ist so Sohn Gottes, dass er auch Tochter ist. Das ist kein Hirngespinst eines überdrehten Theologen, das steht so im Alten und Neuen Testament. Selbstverständlich geht es auch dabei nicht um die Frage des Geschlechts, sondern um Sinnbilder für die Wesensart dessen, von dem da die Rede ist. Jahrhunderte vor dem Kommen Jesu hat das Alte Testament in ein paar wundervoll dichterischen Zeilen die Weisheit Gottes sprechen lassen – in der Lesung haben wir sie gehört: Gottes geliebtes Kind, das dabei ist, wie das Weltall geschaffen wird. – Ich war seine Freude. Ich spielte auf seinem Erdenrund und meine Freude war es, bei den Menschen zu sein. Man muss sich das im Bild vorstellen: Gottes Töchterlein, das im Garten des ganzen Erdballs spielt. Ein Bild der Anmut, voller Frieden, ohne Arg. Auch das gehört zu Gott. Gottes Weisheit drückt sich darin aus, wie er ist. Und das Neue Testament – z.B. das Lukas-Evangelium, aber auch Paulus – nennen Jesus „Gottes Weisheit“. Er ist so Sohn, gehört so zu Gott, dass aus dieser Zusammengehörigkeit auch – ja, ich muss es so sagen –, etwas von Gottes Schönheit aufleuchtet. Sohn sein so, dass er auch Tochter ist. Wieder stehen wir an den Grenzen der Sprache – und wieder werden wir durch sie ein wenig in Gottes Inneres hineingezogen.

V
Wahrscheinlich sind Sie jetzt gar nicht mehr überrascht, dass es sich mit unserem Reden vom Heiligen Geist genauso verhält. Der Geist sagen wir, zum Sinnbild des brausenden Sturms greifen wir, um auszudrücken, wie wir Gott erfahren. Im Alten Testament trägt der Geist den Namen „ruach“ – das ist ein weibliches Wort, man müsste es mit „Geistin“ übersetzen. Und noch einmal zielt das nicht auf den Unterschied der Geschlechter, weil Gott, weil er Gott ist, jenseits solcher Unterschiede steht. Gleichnis der Wesensart des Gottesgeistes will solche Rede sein. 

In der Wahrnehmung solcher faszinierender Züge am biblischen Gottesbild waren übrigens die Künstler den Theologenköpfen immer schon voraus: Gegen Ende des 14. Jahrhunderts hat einer in der Dorfkirche von Urschalling im Chiemgau die Trinität mit einer Geistfigur in Gestalt einer jungen Frau gemalt: In der Mitte zwischen Vater und Sohn stehend, schürzt sich ihr in Rosa und Weiß gehaltenes Gewand so, dass es unwillkürlich an die weibliche Vulva erinnert, kulturübergreifend und uraltes Sinnbild für Leben und Fruchtbarkeit, also eben das, was seit je die Eigenart des Heiligen Geistes in der christlichen Tradition ausmacht.

VI
Jetzt – nach dem dreimaligen Durchgestrichen- und gleichzeitigem Bestätigtwerden der vertrauten Namen – verstehen Sie vielleicht ganz von selbst, was wir meinen, wenn wir Gott, den einen, als den dreifaltigen bekennen. Wie ein zerbrochener Spiegel ein Gesicht vielfach, rätselhaft, manchmal scheinbar gar nicht zusammenpassend zurückwirft, so spiegelt sich in den Worten unserer Menschensprache das Geheimnis Gottes: Rätselhaft, unbegreiflich, widersprüchlich bisweilen sogar – und doch schenkt sie uns einen Schimmer von dem Reichtum, von der Schönheit, die zu Gott gehören müssen, wenn solche Züge wie Vater und Mutter, Sohn und Tochter, Geist und Geistin zugleich aufleuchten. Vielleicht will unser Bekenntnis zum dreifaltigen Gott gar nichts anderes sein als eine Einladung, im Spiegel der Heiligen Schrift auf das Abenteuer der Gottsuche zu gehen. Wenn Sie es tun, werden Sie viele Male überrascht sein.