Die Philosophie der Religion fragt innerhalb der Vielfalt der Weltanschauungen mit den Möglichkeiten der Philosophie kritisch danach, ob es sinnvoll sein kann, sich religiös zu verorten und das Geheimnis des Lebens in einer großen, göttlichen Transzendenz zu beheimaten. Denn Religionen verstehen diese Transzendenz als Grund der Welt, in der wir leben. Religionen zeigen die sinnstiftenden Bedeutungsgebungen solcher Transzendenz auf, während Menschen sich in religiösen Akten auf diese Transzendenz einlassen und zu ihr Stellung beziehen. Doch wie ist ein solches Stand-Nehmen im Ganzen der Wirklichkeit göttlicher Transzendenz möglich? Und wie kann es vernünftig begründet werden? Mit welchen Argumenten und Kriterien ist eine religiöse Selbstauslegung des menschlichen Daseins zu verantworten im Strudel pluraler Vielfalt und im Widerstreit öffentlicher Meinungen? Ist Religion nicht lediglich ein mythischer Rest im Zeitalter der wissenschaftlichen Welterklärung (Dawkins) und technischen Weltbemächtigung (Comte)? Eine Projektion von Menschheitsaufgaben (Feuerbach) oder eine produktive, kulturschaffende Illusion des Menschen (Freud)? Ein strategisch-evolutionärer Motivations- und Selektionsvorteil (Wilson) oder jenes Opium, durch das die unaushaltbaren Entfremdungen des menschlichen Daseins betäubt werden (Marx, Lenin)? Sind religiöse Weltdeutungen dann überhaupt sinnvoll? Hat der religiöse Akt einen Gegenstandsbezug und einen Bedeutungsgehalt oder läuft er ohne realen Bezug und belastbaren Inhalt ins Leere? Lässt sich der religiöse Bezug aus dem Lebenszusammenhang des Menschen, etwa anhand der Strukturbedingungen des menschlichen Daseins, philosophisch begründen? Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Daseinsstrukturen der Menschen und ihren religiösen Verständnissen großer, göttlicher Transzendenz? Wie kann schließlich mit der Vielfalt der Religionen, mit ihren unterschiedlichen Weltauslegungen und Wahrheitsansprüchen philosophisch verantwortlich umgegangen werden? Oder haben sich die Anliegen der großen Religionen angesichts der vielfältigen gesellschaftlichen und populären Mischformen von spirituellen Praktiken und patchworkartigen Frömmigkeitsformen, welche die kritischen Nachfragen und gedanklichen Abstraktionen philosophischen Denkens scheuen, erledigt?

Eine systematische Philosophie der Religion kann die Religion und ihren Verweis auf eine schlechthin unverfügbare Wirklichkeit positiv als »Sinn und Geschmack fürs Unendliche« (Schleiermacher) verstehen und deshalb als eine Beziehung zu der Wirklichkeit des unermesslichen Geheimnisses bestimmen, welche den Menschen »unbedingt angeht« (Tillich). Die Philosophie der Religion fragt daher sowohl nach den kritischen Einwänden gegenüber der Religion als auch nach den möglichen Bedingungen, die es mit Gründen der Vernunft erlauben, davon zu sprechen, dass Himmel und Erde sich berühren und Menschen eine Vollkommenheit erahnen, die größer ist als alles, was Menschen erdenken können.

Die Frage des Menschen nach sich selbst und seinen Selbst- und Weltdeutungen wird damit zur Frage: Was dürfen wir hoffen? Jenes menschliche und denkende Vertrauen, das den Sprung des Zweifels im Modus der Hoffnung wider alle Verzweiflung wagt, wird Glaube genannt. Ist dieser Sprung erlaubt? Welche rationalen und existenziellen Gründe können ihn plausibilisieren? Und wohin kann dieser Sprung ins Geheimnis gewagt werden, wenn er im Ur-Sprung Freiheit ist? Wenn er als Sprung in Zweifel und Hoffnung, in Suchen und Fragen nur dort Erfüllung finden kann, wo Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit als Leben in Fülle zusammenfinden?

Mit solch fundamentalen Fragen des Menschen nach sich selbst und den christlichen Angeboten für ein menschliches Leben im Spiegel des christlichen Glaubens beschäftigt sich die Fundamentaltheologie. Als kritisches Fragen nach der Rationalität des christlichen Glaubens ist sie keineswegs fundamentalistisch, sondern sie fragt nach den Fundamenten des Glaubens im doppelten Sinn: einerseits vergegenwärtigt sie als erinnerungsgeleitete (und hermeneutische) Theologie die eigenen geschichtlichen Fundamente und sinnstiftenden Ressourcen; andererseits begründet sie als rationale (und analytische) Theologie Inhalt und Methode systematisch im Kontext gegenwärtiger Herausforderungen. Dies geschieht, damit die Bewegung des fragenden Denkens, die für ein größeres Geheimnis vertrauensvoll ansprechbar ist, sowie die Bewegung gläubiger Hoffnung, die die Vernunft des philosophischen Denkens sucht, weder auf Sand gebaut ist noch in der eigenen Welt gefangen bleibt, sondern der größeren Wirklichkeit Gottes und der kritischen Anfrage der Menschen standhält. Dies geschieht gemäß dem biblischen Auftrag: »wach und nüchtern« (1 Thess 5,6) zu sein, um »jederzeit Rechenschaft über den Grund der Hoffnung« geben zu können, die Christinnen und Christen erfüllt (1 Petr. 3,15).

So will die Fundamentaltheologie  im Streit und Widerstreit der Weltanschauungen die Rationalität religiöser Einstellungen begründen und die lebensdienliche Weisheit des Evangeliums erschließen; so will sie im Streitfall der Religionen dialogisch deren je eigene Wahrheit würdigen und die christlichen Hoffnungspotentiale offen legen; so will sie im Streit um Gott und im Streit um die Abgründe der Hoffnungslosigkeit Gottes rettendes und unausdenkbares Größer-Sein als Liebe bedenken – jenes Größer-Sein, welches das menschliche Vorstellungsvermögen innerlich aufsprengt und in der Geschichte des Volkes Israel und im Geschick Jesu von Nazareth verheißungsvoll sichtbar wurde. Schließlich versucht sie im Streit um den angemessenen Kurs des Schiffes der Kirche jene Ursprünge und Wandlungen im Selbstverständnis gedanklich zu begleiten, welche die weltumspannende Weite Gottes und die menschenoffene Katholizität des Glaubens anzeigen und gegenwärtig werden lassen.