Der Erzbischof als kriegsmüder Feldpropst und Attentatsopfer

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Weitere Tagebücher Michael Kardinal von Faulhabers online

Zwei weitere Jahrgänge der Tagebücher Michael von Faulhabers sind jetzt vollständig online zugänglich. Die Notizen aus den Jahren 1918 und 1934 zeigen den Münchener Erzbischof unter anderem als kriegsmüden Feldpropst und als Opfer eines Attentats. Darüber hinaus lässt die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte kritische Online-Edition an vielen Stellen erkennen, wie Faulhaber die Jahrhundertkatastrophen des Ersten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Diktatur wahrnahm. Die neu zugänglichen Quellen ergänzen die bereits 2015 online veröffentlichten Jahrgänge 1919 und 1933 auf der Website des Editionsprojektes www.faulhaber-edition.de.

1918: Feldpropst Faulhaber kriegsmüde

Nach einem Gespräch mit dem Domkapitular Michael Buchberger, der später Bischof von Regensburg werden sollte, klagte Faulhaber am 3. September 1918 über „Militaria ohne Ende“. Am 1. Oktober 1918 hielt er fest, sein Generalvikar Sebastian Huber sei „ernst und zitternd vor Aufregung“ aus einer Sitzung der Zentrumspartei gekommen. „Die militärische Lage furchtbar ernst, nicht bloß nach Osten, sondern auch im Westen. Im Inneren ebenso.“ Innerhalb von 24 Stunden könne, so zitierte Faulhaber den Generalvikar, eine „Wendung“ kommen; der Episkopat müsse, wie in der Revolution von 1848, etwas tun. „Ich werde rundschreiben“, notierte der Erzbischof.

Graffiti gegen Faulhaber 1938
© EAM

1934: Feierliche Beflaggung über zerschossenen Scheiben

Zu Beginn des Jahres 1934 war Faulhaber heftigen Angriffen durch führende Nationalsozialisten ausgesetzt. Diese hatten seine Adventspredigten von 1933 als scharfe Kritik an der Rassenideologie im Allgemeinen und dem Antisemitismus im Besonderen wahrgenommen. Eine Rede des nationalsozialistischen bayerischen Staatsministers Hermann Esser am 26. Januar 1934 heizte die Stimmung zusätzlich auf. In der Nacht vom 27. auf den 28. Januar 1934 schossen Unbekannte mehrmals auf die Fenster von Faulhabers Sprechzimmer im Erzbischöflichen Palais. „Ich habe in der Nacht nichts gehört – außer während Rosenkranz, wobei Auto Geräusch verdecken kann. Die Wehrmannpistole nicht sehr laut“, schrieb Faulhaber am 28. Januar ins Tagebuch. Trotz des Anschlags versuchte er weiterhin, mit den Machthabern konstruktiv zusammenzuarbeiten. Schon zwei Tage später, am 30. Januar, notierte er: „Heute nationaler Grosstag (1. Gedenkjahr der Machtübernahme Hitlers als Reichskanzlers) – am Haus zwei Fahnen ausgehängt – über den zerschossenen Scheiben. Übernahme war legal, also mitfeiern.“


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Informationen zum Projekt:

Mehr als 40 Jahre lang hielt Faulhaber in seinen Tagebüchern jeden Tag seine Begegnungen mit Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten fest. Diese Quelle wird im Projekt „Kritische Online-Edition der Tagebücher von Michael Kardinal von Faulhaber (1911-1952)“ wissenschaftlich aufbereitet und im Internet unter www.faulhaber-edition.de veröffentlicht. Die Einträge müssen dafür zunächst aus der Kurzschrift Gabelsberger übertragen werden, die heute nur noch wenige Experten entziffern können.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert das auf zwölf Jahre angelegte Vorhaben seit dem 1. Januar 2014, im vergangenen Jahr wurde nach einer erfolgreichen Evaluation die zweite Projektphase bis Ende 2020 bewilligt. Zur Unterstützung der Arbeiten hat der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, Mittel zur Verfügung gestellt, um die Feinverzeichnung des Nachlasses Faulhaber voranzutreiben.

Im Projekt arbeiten Historikerinnen und Historiker, Theologen und ein Informatiker interdisziplinär zusammen. Geleitet wird es von dem Historiker Prof. Andreas Wirsching vom Institut für Zeitgeschichte München-Berlin und dem Kirchenhistoriker Prof. Hubert Wolf von der Universität Münster. Kooperationspartner ist das Erzbischöfliche Archiv München, in dem die Tagebücher verwahrt werden. Die Edition wird insbesondere neue Beiträge zum Verhältnis von Religion und Politik und zum Umgang der katholischen Kirche mit totalitären Ideologien ermöglichen. Gleiches gilt für innovative Forschungen zur Theologie- und Kulturgeschichte, etwa mit Blick auf personelle Netzwerke, Frömmigkeitsformen, Kriegsdeutungen, Emotionen und Geschlechterrollen im Katholizismus oder die Beziehungen zu anderen Glaubensgemeinschaften.

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