Team der Faulhaber-Edition jetzt vollständig

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Michael Kardinal von Faulhaber

Das Team des Projekts "Kritische Online-Edition der Tagebücher Michael Kardinal Faulhabers" ist jetzt vollständig und hat seine neuen Büroräume in der Münchener Kaulbachstraße 22a bezogen. Mit dabei sind der Gabelsberger-Experte und promovierte Philosoph Dr. Erich Ruff, der katholische Theologe Dr. Philipp Gahn, der Historiker Dr. Peer Oliver Volkmann, der Informatiker Matthias Bornschlegel sowie die Historikerinnen Carina Knorz und Franziska Nicolay, die zu den Tagebüchern promovieren werden. Geleitet wird das Langfristvorhaben der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) von Prof. Dr. Andreas Wirsching, Direktor des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin, und Prof. Dr. Hubert Wolf. Das Projektteam arbeitet überdies eng mit Dr. Peter Pfister zusammen, dem Leiter des Erzbischöflichen Archivs München (EAM), das die Tagebücher verwahrt. Ziel ist es, die Tagebücher Faulhabers wissenschaftlich aufzuarbeiten und für jedermann zugänglich im Internet zu veröffentlichen. Das Projekt läuft seit dem 31. Oktober 2013 und ist auf 12 Jahre angelegt.

Michael Faulhaber, geboren 1869, war von 1911 bis 1917 Bischof von Speyer und von 1917 bis zu seinem Tod 1952 Erzbischof von München und Freising. Er war ein herausragender Theologe, ein meinungsfreudiger Vordenker des politischen Katholizismus und ein Streiter für kirchliche Interessen. Sein Einfluss reichte weit über die Grenzen Deutschlands und der katholischen Kirche hinaus. Der Erzbischof war eng mit Papst Pius XII. befreundet, verhandelte beispielsweise aber auch mit Adolf Hitler, Theodore Roosevelt und Konrad Adenauer. Schon zu Lebzeiten von vielen Kirchenmitgliedern hoch verehrt, blieb er zugleich wegen seines widersprüchlichen Verhaltens während der Zeit des Nationalsozialismus heftig umstritten.

Die Tagebücher Faulhabers sind für die Jahre von 1911 bis 1952 lückenlos überliefert. 32 Bände im Notizbuchformat mit insgesamt mehr als 4.000 Seiten umfassen vor allem knappe Einträge zu den Personen, mit denen Faulhaber sich traf – Notizen zu insgesamt etwa 52.000 Besuchen. Faulhaber hielt aber auch Informationen fest, denen er Bedeutung im politischen, sozialen oder religiösen Leben zumaß, und notierte seine Befindlichkeiten. Wenn er über wichtigere Themen und Gespräche nachdachte, fertigte der Bischof zusätzlich ausführliche Beiblätter an.

Tagebücher und Beiblätter werden im Langfristvorhaben vollständig erfasst, historisch-kritisch ediert, kommentiert und in einer Online-Datenbank publiziert. Die Edition wird voraussichtlich umgerechnet 30.000 Standard-Textseiten umfassen und somit ein detailreiches Bild der knapp 15.000 Tage zeichnen, die Faulhabers Tagebücher abdecken. Faulhabers private Aufzeichnungen erlauben einen Blick in die Gefühlswelt des Kirchenfürsten und hinter die Kulissen der offiziellen Korrespondenzen und Verlautbarungen. Die Tagebücher bilden außerdem den Schlüssel, um den umfangreichen Nachlass des Erzbischofs zu erschließen. Zu erwarten sind neue Erkenntnisse zum Verhältnis von Religion und Politik in der Moderne, insbesondere zum Verhältnis der Kirche zum Nationalsozialismus, zur Theologiegeschichte des 20. Jahrhunderts, zum Verhältnis der verschiedenen Konfessionen und Religionen zueinander, zu den Strukturen und Netzwerken der katholischen Kirche sowie zur Kultur-, Frömmigkeits- und Emotionsgeschichte des Katholizismus.

Gabelsberger-Kompetenzzentrum

2014-04 Tagebuch Hitlerputsch 270Faulhaber schrieb überwiegend in Gabelsberger, bis zur Einführung der Deutschen Einheitskurzschrift 1924 die verbreitetste von mehreren konkurrierenden Kurzschriften. Heute können sie nur noch wenige Experten entziffern. Das Langfristvorhaben umfasst deswegen auch stenografische Schulungen, um in München ein Kompetenzzentrum für Kurzschriften zu etablieren. Dabei wurde es von der Fritz Thyssen Stiftung unterstützt, die auch allgemein die Vorarbeiten zum Langfristvorhaben förderte. Die in München ausgebildeten Experten sollen mittelfristig weitere umfangreiche Bestände in deutschen Archiven für die Wissenschaft nutzbar machen.

Zur Zielgruppe der Edition zählen neben Historikern und Theologen weitere Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaftler. Online edierte Quellen eignen sich zudem für den Einsatz in der universitären Lehre, wie die Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis in Münster gezeigt hat, von deren Erfahrungen das neue Projekt in vielfältiger Weise profitieren wird. Erste Texte aus den ereignisreichen und für Faulhabers Biografie zentralen Jahren 1917 bis 1919 sollen bis Ende 2014 unter der Adresse www.faulhaber-edition.de online gestellt werden.