• Aktuelle Projekte

    Religionspolitik

    Politischer Populismus als Herausforderung für die protestantische Ethik des Politischen

    Migration und Flucht

    Neue Themen der Friedensethik jenseits des Rechts

    Religion(en) und religiöse Akteure in der Politik – historische und systematische Studien

    Die sittliche Substanz der Gegenwartskultur – eine kritische Zeitdiagnose

    Edition der Gesammelten Werke von Emmanuel Hirsch

    Fortlaufende Analyse der ethischen Diskurse in Deutschland und Europa

    Theologische Ethik als Kulturtheorie. Hybridedition von F.D.E. Schleiermachers Vorlesungen über die Christliche Sittenlehre und ihre historische und systematische Erschließung

    Die Zukunft der Zukunft

  • Abgeschlossene Projekte

     

    Habilitationsprojekt von Sabine Plonz:
    „Wirklichkeit der Familie und protestantischer Diskurs. Ethik im Kontext von Re-Produktionsverhältnissen, Geschlechterkultur und Moralregime“

    Baden-Baden: Nomos 2018

    Was macht heute die Wirklichkeit der Familie aus, und wie erklärt sich ihre Vernachlässigung im protestantisch-ethischen Diskurs? Beide Fragen hängen sachlich und historisch zusammen. Das wird in dieser Untersuchung herausgearbeitet und ethisch gewürdigt.

    Teil A (Gegenwart)
    Die zeitgenössische familiale Wirklichkeit wird in zwei Durchgängen erschlossen:
    1) Die jüngere theologisch-ethische und die besonders im Anschluss an die EKD-Denkschrift von 2013 ausgetragene kirchliche Debatte zum Thema „Familie“ offenbart Leerstellen sowie Neuansätze der Argumentation. Auffällig ist: je stärker die Geschlechterperspektive einbezogen ist und je mehr auf die sozial-fürsorgliche Praxis und ihre gesellschaftlichen Bedingungen geschaut wird, desto realistischer wird auch das evangelische Nachdenken über die Wirklichkeit der Familie.
    2) Aktuelle Familienforschung und wohlfahrtsstaatliche Entwicklungen werden rekapituliert und anhand dieser Forschungsstränge eine Meta-Theorie der „Familie“ entwickelt. Das private Leben ist eingebettet in gesellschaftliche Struktur-Zusammenhänge. Fortpflanzung, Lebensläufe, Sorgetätigkeiten und Sorgeethos finden statt im Schnittfeld zwischen Erwerbs- und Haushaltsökonomie, die im modernen Kapitalismus durch Arbeits- Wohlfahrts- und Geschlechterregime reguliert werden. Von daher wird vorgeschlagen, den Begriff der Familie zu fassen als „alltägliche, generative und soziale, fürsorgliche Praxis im Re-Produktionszusammenhang“.
    Auch moralische Vorstellungen und normative Ideen üben Einfluss auf die Lebensführung aus, etwa über die öffentliche Meinung oder über die Rechtsordnung (Ehe-, Familien-, Sozialrecht). Hierfür spielen die Interpretation und Normierung der Geschlechterbeziehungen eine zentrale Rolle. Auf dieses „Moralregime“, den Anteil konfessioneller Akteure daran und ihre Rückwirkung auf die in die „Realregimes“ eingebettete soziale Wirklichkeit muss die Ethik ihre Aufmerksamkeit richten.
    Die somit zeitgenössisch erhobene Wirklichkeit der Familie soll im Denken des Zusammenhangs von Real- und Moralregime erschlossen werden. Das ist im nachfolgenden Untersuchungsgang ein historisch-kritisches Projekt.

    Teil B (Geschichte)
    Der umfangreichere Hauptteil rekonstruiert die Geschichte von Protestantismus und Wohlfahrtsstaat in der Zeit zwischen 1850 und 2015. Er zeigt, welche gesellschaftlichen Trends die protestantischen Auffassungen über „Familie“ gespiegelt und gefördert haben und wie sie sich in den verschiedenen Staatsformen mit ihrer jeweiligen Geschlechter-, Familien- und Bevölkerungspolitik auswirkten. Die Darstellung beschränkt sich deshalb nicht auf die Diskussion theologisch-ethischer Theorien, sie nimmt sich auch die moralischen Leitideen und das gesellschaftliche Handeln einflussreicher Akteure vor: Philosophen, Juristen, Vertreter der Inneren Mission/Diakonie, des Sozialprotestantismus und evangelischer Frauenorganisationen. Deren Familienrhetorik war vorrangig moralisch gehalten, aber politisch motiviert.
    Zum einen wollte man über die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Umbrüche hinweg die patriarchalische Geschlechterordnung verteidigen und stemmte sich gegen die verschiedenen Emanzipationsbewegungen; die Ehe und das Dogma der Geschlechterdifferenz spielten hier eine Schlüsselrolle. Die familiale Praxis der neuen sozialen Klassen (Arbeiterschaft, kleine Dienstleisterinnen und Angestellte...) und wohlfahrtspolitische Konzepte zu ihrer Sicherung und Unterstützung kamen so nicht in den Blick.
    Zum anderen identifizierten sich die Evangelischen bis zur Mitte des 20. Jh. mit den nationalen und expansiven Interessen des Deutschen Reiches. Die Sicherstellung des Bevölkerungswachstums und die in Wissenschaft, Politik und Moraldiskursen angestrebte Verbesserung der Volksgesundheit wurden immer wichtiger. Gegen deren Extremform im sozialdarwinistischen, völkischen und massenmörderischen Wohlfahrtsstaat des Nationalsozialismus waren protestantische Ethik und diakonische Arbeit nicht gewappnet.
    Nach dem 2. Weltkrieg brach der Protestantismus in der Bundesrepublik nicht mit seinen Traditionen. Wieder versuchte man, die hegemoniale Männlichkeit sicherzustellen und die anstehende Emanzipation der Frauen (nach Art. 3 GG) abzuwenden. Kirchliche Kommissionen und Ethiker argumentierten gegen die Modernisierung des Ehe- und Familienrechts. Sie befürworteten das westdeutsche wohlfahrtsstaatliche Modell, das die Arbeitsteilung zwischen erwerbstätigem Ehemann und seiner häuslich arbeitenden einkommenslosen Frau begünstigte. So konnte auch unterstellt werden, dass „Familien“ eine gleichsam automatisch funktionierende Privatsache seien, während z.B. öffentlich organisierte Kinderbetreuung als staatliche Anmaßung zurückgewiesen wurde. Gleichzeitig idealisierten Kirchen und Christdemokratie, Medien und Unterhaltungsbranche die Familie, um Krieg und Diktatur sowie den eigenen Anteil daran zu vergessen und ein Bollwerk gegen den Sozialismus aufzubauen. Es sollte noch Jahrzehnte dauern, bis sich der Protestantismus aus seiner Fixierung auf die Ehe in der männlich dominierten Geschlechterordnung löste und sozialpolitischen Aufgaben rund um die familiale Praxis sachkundig zuwendete (EKD 2013). Dazu haben die deutsche Wiedervereinigung und die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung entscheidende Impulse gegeben.

    Teil C (Verknüpfung)
    1) Zusammenschau der historischen Arbeit und ihrer Erträge
    Im ersten Schlussteil wird die Interaktion zwischen Real- und Moralregime in den verschiedenen politischen Systemen nochmals rekapituliert, die Bedeutung protestantischer Diskurse für die Wirklichkeit der Familie in ihrer Geschichte profiliert und die Relevanz religiöser Akteure für die wohlfahrtsstaatliche Forschung betont. Eine in der evangelischen Ethik noch kaum beachtete Schlüsselrolle für soziale Wirklichkeit wie das Selbstverständnis des Protestantismus kommt der Geschlechterordnung der hegemonialen Männlichkeit und der hierarchisch gedachten Geschlechterdifferenz zu.
    2) Im ethisch-theologischen Ausblick wird unterstrichen, dass eine Ethik des privaten Lebens, die nicht mehr an die patriarchalische Eheauffassung anknüpft, ein politisches, transformatives und emanzipatorisches Projekt wäre. Es müsste sich unter anderem in einen kritisch-aktualisierenden Dialog mit biblischen Motiven begeben, in dem für das Thema noch wenig bedachte Impulse liegen, wie der enge Zusammenhang zwischen Liebe und Recht. Wie dieser in die Diskurse der pluralen Öffentlichkeit eingespeist werden kann, müsste evangelische Ethik diskutieren.
    Die familiale Praxis und nicht ein verbindlicher „Leitbegriff“ von „Familie“ sollte im Mittelpunkt des evangelischen Engagements in Wissenschaft sowie in kirchlichen Handlungsfeldern. Dafür sind Kenntnisse und Dialoge aus sozialwissenschaftlicher Forschung und interdisziplinären Foren, die sich für die gesellschaftliche Aufwertung der zwischenmenschlichen „Sorge“ – Arbeiten einsetzen, entscheidend. Sie zeigen unter anderem, dass die solidarisch-fürsorgliche und generative Praxis der Mitmenschlichkeit lebenswichtig, aber auch prekär ist. Evangelische Ethik sollte sie im Licht der biblischen Verheißungen verstehen: als zeitgenössische Realutopie, die allen Menschen gilt und für deren Verwirklichung man sich öffentlich einsetzt.

    Luthers Staatsverständnis

    Das Staatsdenken des Reformators wird in historischer und gegenwartsorientierter Absicht von einem interdisziplinären Forscherteam unter Leitung von Prof. Dr. Arnulf von Scheliha und Prof. Dr. Rochus Leonhardt (Theologische Fakultät der Universität Leipzig) erarbeitet. Ein Workshop hat im September 2014 stattgefunden. Das Buch ist unter dem Titel "Hier stehe ich, ich kann nicht anders!"im Herbst 2015 erschienen.

    Die politische Ethik von Paul Tillich

    Publiziert August 2015.

    Leitkultur durch Religion? – Europäische Kulturkämpfe und ihre gegenwärtige Bedeutung

    Aus Anlass des zweihundertsten Geburtstags von Otto von Bismarck wurde eine umfassende historische und gegenwartsbezogene Analyse der staatlichen Religionspolitiken im europäischen Vergleich durchgeführt. In diesem Rahmen wurde im September 2015 eine zweitägige interdisziplinäre Tagung zum Thema in Frankfurt am Main durchgeführt, die vom IfES gemeinsam mit der "Otto-von-Bismarck-Stiftung" (Friedrichsruh) und dem "Europäischen Institut für interkulturelle und interreligiöse Forschung" (Triesen/FL) ausgerichtet wurde. Weitere Informationen zum Tagungsband finden sich hier.

    Internationaler Schleiermacher Kongress

    Unter dem Titel "Der Mensch und seine Seele. Bildung – Frömmigkeit – Ästhetik" richtete das IfES vom 27. bis 30. September 2015 den internationalen Kongress der Schleiermacher-Gesellschaft e.V. in Münster aus. Friedrich Schleiermachers Verständnis des Menschlichen integriert eine Vielzahl von Aspekten. Sie betreffen sowohl die sozialen Bedingungen des Lebens vor allem in den Formationen von Politik und Ökonomie als auch die individuellen Ausprägungen von Charakter und Herz, von Geschmack und Stilempfinden. Zwischen beidem walten Wechselbezüge. Nachdem die Internationale Schleiermacher-Gesellschaft verschiedentlich die gleichsam objektiven und institutionellen Seiten der Kultur beleuchtet hat, sollen beim Kongress im Jahr 2015 insbesondere die subjektiven Dimensionen des individuellen Lebens erkundet werden. Hierfür steht die symbolische Prägnanz des Begriffs der Seele. Er markiert die Innenseite in der Dynamik von Darstellung und kommunikativem Austausch, die für die Entwicklung je eigener Prägungen unerlässlich ist. Die besondere Aufmerksamkeit gilt mithin dem breiten Spektrum von Selbstverhältnissen in sozialen Prozessen, die auf dem Kongress für die Sphären Bildung und Erziehung, Frömmigkeit und Kirche sowie Literatur und Ästhetik im interdisziplinären Austausch erschlossen und aufeinander bezogen werden sollen.

    Religion und Wohlfahrtsstaatlichkeit in Deutschland

    Seniorprofessor Dr. Hans-Richard Reuter hat gemeinsam mit Prof. Dr. Karl Gabriel das Projekt zu Religion und Wohlfahrtsstaatlichkeit in Deutschland abgeschlossen. Das Projekt wurde in folgender Publikation zugänglich gemacht: Gabriel, Karl; Reuter, Hans-Richard (Hg.). Religion und Wohlfahrtsstaatlichkeit in Deutschland. Konfessionen – Semantiken – Diskurse. Tübingen 2017. Weitere Informationen finden sich hier.

  • Laufende Promotionsprojekte

    Wertloser Frieden? Werte und Interessen im Lichte des Gestaltenwandels der Gewalt (Dissertation im Rahmen des Promotionsvorhaben von Tilmann Clement, Mag. theol.)

    Subjektivität und Sozialität. Das Verhältnis des (religiösen) Subjekts zu dem Begriff der Gesellschaft in der Theologie der Gegenwart (Dissertation im Rahmen des Promotionsvorhabens von Moritz Buick , Mag.theol.)

    Emanuel Hirschs Theorie der Frömmigkeit. Dogmatische Grundlegung und literarische Gestaltung in seinen Romanen und Erzählungen des Spätwerkes (Dissertation im Rahmen des Promotionsvorhabens von Justus Bernhard, M.Ed.)

    Die erkenntnispsychologischen Grundlagen der Religionsphilosophie Rudolf Ottos (Dissertation im Rahmen des Promotionsvorhabens von Dipl.-Theol. Stephan Feldmann)

    Emanuel Hirschs theologisches Verständnis von Geschichte und seine Entfaltung (Dissertationsprojekt im Rahmen des Promotionsvorhabens von Yuki Okazaki)

    Subjektivität als religionspädagogischer Parameter einer prospektiv-pragmatischen Ethik der Scham (Dissertation im Rahmen des Promotionsvorhabens von Dipl.-Theol. Katrin Lohse)

    Europa als Thema und Raum der Theologie (Dissertation im Rahmen des Promotionsvorhabens von Mag. theol. Catharina Jabss)

    Antisemitische Verschwörungsmythen als gegenwärtige Herausforderung für Theologie, Ethik und Religionspolitik (Dissertationsprojekt im Rahmen des Promotionsvorhabens von Mag. theol. Daniel Freitag)

  • Abgeschlossene Promotionsprojekte

    Kirche als solidarische Gemeinschaft: Studie zum Verhältnis von Kirche, Gesellschaft und Staat beim späten Schleiermacher

    Dissertation im Rahmen des Promotionsvorgabens von Th. M. Kwangwoo Park

    Das Promotionsverfahren wurde im Wintersemester 2022/23 erfolgreich abgeschlossen.

    Evangelische Theologinnen und Theologen als Parlamentarier

    Dissertation im Rahmen des Promotionsvorhabens von Dipl.-Theol. Uta Elisabeth Hohmann, B.A.

    Das Promotionsverfahren wurde im Sommersemester 2022 erfolgreich abgeschlossen.

    Liebe und Anerkennung. Die Ethik Paul Tillichs von den Anfängen bis zum Religiösen Sozialismus

    Dissertation im Rahmen des Promotionsvorhabens des Dipl.-Theol. Marcel Freitag (geb. Kreft)

    Das Promotionsverfahren wurde im Wintersemester 2021/22 erfolgreich abgeschlossen.

    Gesetz und Evangelium im Nachkriegsprotestantismus. Eine Untersuchung am Beispiel von Ernst Wolf, Helmut Thielicke und Carl Heinz Ratschow

    Dissertation im Rahmen des Promotionsvorhabens von Dipl.-Theol. David Scherf

    Das Verfahren wurde im Sommersemester 2017 erfolgreich abgeschlossen.
    Weitere Informationen zu der 2019 im Verlag Mohr Siebeck (Reihe: Religion in der Bundesrepublik Deutschland) erschienenen Publikation finden sich hier.

    Die Schleiermacher-Deutung Gerhard Ebelings

    Dissertation im Rahmen des Promotionsvorhabens von Jana Huisgen, M.Ed.

    Das Verfahren wurde im Sommersemester 2019 am Fachbereich für Erziehungs- und Kulturwissenschaften der Universität Osnabrück erfolgreich abgeschlossen.
    Die Publikation ist 2020 unter dem Titel "Der christliche Glaube als reflektierte Erfahrung. Eine Studie zur Schleiermacherrezeption Gerhard Ebelings" im Verlag Peter Lang (Reihe: Beiträge zur rationalen Theologie) erschienen.

    Die anthropologische Zentralstellung des christlichen Offenbarungsbegriffs

    Dissertation im Rahmen des Promotionsvorhabens von Dipl.-Theol. Katarina Kristinová

    Das Verfahren wurde im Wintersemester 2016/17 an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der WWU Münster erfolgreich abgeschlossen.
    Weitere Informationen zu der 2018 unter dem Titel "Die verbotene Wirklichkeit" im Verlag Mohr Siebeck (Reihe: Hermeneutische Untersuchungen zur Theologie) erschienenen Publikation finden sich hier.

    Europa im Islam – Islam in Europa. Islamische Konzepte zur Vereinbarkeit von religiöser und bürgerlicher Zugehörigkeit

    Dissertation im Rahmen des Promotionsvorhabens von Dr. phil. Vivien Neugebauer

    Die Publikation ist 2016 im Verlag Peter Lang (Reihe für Osnabrücker Islamstudien) erschienen.

    Christliche Verantwortungsethik im Rahmen personaler Friedensprozesse am Beispiel der Mediation

    Dissertation im Rahmen des Promotionsvorhabens von Wiebke-Lena Laufer, M.Ed.

    Die Publikation ist 2016 unter dem Titel "Mediation und christliche Verantwortung. Eine mediationstheoretische und systematisch-theologische Untersuchung" im Verlag V&R unipress erschienen.

  • Weitere Projekte

    Evangelische Theologinnen und Theologen als Parlamentarier (Dr. Uta Elisabeth Hohmann, Prof. Dr. Anrulf von Scheliha, EXC 2060 B3-5). Gefördert durch: Exzellenzcluster "Religion und Politik" der WWU Münster

    Die Tätigkeit von Theologinnen und Theologen als Vertreter unterschiedlicher Parteien in den Parlamenten deutscher Staaten bildet seit der Frankfurter Nationalversammlung eine wesentliche, aber für die evangelische Kirche weitgehend unerforschte Schnittstelle von Religion und Politik. Ziel des Projektes ist es, durch eine umfassende Bestandsaufnahme der parlamentarischen Tätigkeit evangelischer Theologinnen und Theologen seit 1848 die wechselseitigen Rückkoppelungseffekte zwischen politischem Handeln und theologischem Denken zu analysieren. Von besonderem Interesse ist dabei die Frage, inwiefern die politische Partizipation evangelischer Theologinnen und Theologen an demokratischen Strukturen einen Beitrag zur Anerkennung des politischen Pluralismus durch den lange Zeit volks- und monarchiefixierten Protestantismus in Deutschland leistete. Im Rahmen einer Pionierstudie wird derzeit in einem historischen Längsschnitt die parlamentarische Tätigkeit von drei ausgewählten Theologen untersucht: Rudolf Otto (1913-1918 Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses [Nationalliberal]; 1919 Mitglied der Verfassung gebenden Preußischen Landesversammlung [DDP]), Magdalene von Tiling (1921-1930 Mitglied im Preußischen Landtag; 1930-1933 Mitglied im Deutschen Reichstag für die DNVP) und Heinrich Albertz (1947-1955 Mitglied des niedersächsischen Landtages; 1963-1970 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses für die SPD; hohe Regierungsämter in Niedersachsen und West-Berlin; Mitglied der Grundsatzkommission der SPD) stehen für drei unterschiedliche Stadien der deutschen Demokratiegeschichte und für eine in der Epoche jeweils vorzügliche parteipolitische Orientierung von evangelischen Theologen. Durch die umfassende Analyse der politisch-parlamentarischen Arbeit dieser drei evangelisch-theologischen Politiker will die Pionierstudie erste Entwicklungen mit Blick auf die parteipolitische Orientierung, die fachpolitischen Aufgaben, die theologische Ausrichtung und die kirchliche Akzeptanz der demokratischen Partizipation nachzeichnen.

    Mit diesem Link erreichen Sie die Beschreibung des Exzellenzcluster "Religion und Politik"


    Religiöse Traditionen der Kapitalismuskritik in Deutschland im 20. Jahrhundert (Prof. Dr. Hans-Richard Reuter, Dr. Stefan Leibold, Andreas Kurschat). Gefördert durch: Exzellenzcluster "Religion und Politik" der WWU Münster

    In den Umbruchsituationen nach 1918 und nach 1945 war in Deutschland angesichts der veränderten gesellschaftlichen Machtverhältnisse und der für weite Teile der Bevölkerung kritischen Versorgungslage die Frage nach einer neuen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung virulent. In der Theoriebildung hierüber entstanden bereits in den 1920er Jahren mehrere deutlich religiös geprägte wissenschaftliche Schulen, die sich nach 1945 in unterschiedlichem Maße in die Debatten über die Ausgestaltung des politischen und ökonomischen Systems der Bundesrepublik einbringen konnten. Im Protestantismus lassen sich zwei große Strömungen unterscheiden. Die sich als Folge der Weltwirtschaftskrise von 1929 formierende und als Ordoliberalismus firmierende Freiburger Schule der Nationalökonomie (Walter Eucken, Franz Böhm u.a.) hatte nach dem 2. Weltkrieg insbesondere mit dem Schlagwort „Soziale Marktwirtschaft“ (Alfred Müller-Armack) erheblichen Einfluss auf die Wirtschaftspolitik der CDU und erlangte dadurch in der frühen Bundesrepublik eine dominante Stellung. In welcher Weise sie auf konfessionell geprägte Vorstellungen rekurrierte (z.B. Autorität des Staates, individuelle Freiheit), ist in der Forschung bereits mit unterschiedlichen Akzenten erörtert worden (Brakelmann, Jähnichen, Manow, Reuter). Unzureichend ist die Forschungslage hingegen hinsichtlich des protestantisch geprägten Religiösen Sozialismus (Paul Tillich, Georg Wünsch, Eduard Heimann, Gerhard Weisser u.a.). Insbesondere im Umfeld des Kairos-Kreises, dem neben Protestanten (Paul Tillich, Arnold Wolfers u.a.) auch Juden angehörten (Eduard Heimann, Adolf Löwe u.a.), entstanden seit den 1920er Jahren kapitalismuskritische, der Gemeinwirtschaftstheorie verpflichtete Konzeptionen, die nach 1945 v.a. durch Gerhard Weisser etwa in das Godesberger Programm der SPD und in sozialpolitische Stellungnahmen der Evangelischen Kirche in Deutschland einflossen. Ähnlich wie in der ordoliberalen Schule stammten auch hier die theoretischen Entwürfe überwiegend nicht von Theologen, sondern v.a. von Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlern, die in protestantischer Tradition als ,Laien‘ im weltlichen Beruf wirkten. Von zentraler wirkungsgeschichtlicher Bedeutung, aber kaum erforscht, ist das umfangreiche Werk des aus einem links-intellektuellen jüdischen Elternhaus stammenden Eduard Heimann, der nach 1933 in die USA emigrierte, dort Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie Christliche Soziallehre lehrte, sich 1944 von Paul Tillich evangelisch taufen ließ und in den 1960er Jahren wieder in Deutschland wirkte. Auf einer kritischen Marx-Rezeption aufbauend zielte Heimanns Konzeption auf eine nicht von kapitalistischer Macht beherrschte, jedoch nicht autoritär nach sowjetischem Vorbild, sondern freiheitlich herbeizuführende, durch die christliche Religion integrierte Gesellschaft. Es ist zu untersuchen, wie der Zusammenhang von religiöser Orientierung und wirtschafts- bzw. sozialpolitischer Theoriebildung in Heimanns Werk zu bestimmen und wie es nach dem 2. Weltkrieg rezipiert worden ist (Gerhard Weissers Konzept einer ,normativen Sozialwissenschaft‘, Siegfried Katterle). Das Spektrum im Katholizismus der Weimarer Zeit reichte von radikaler Kapitalismuskritik bis zu einer gemäßigten Kritik, die eine grundsätzliche Akzeptanz der kapitalistischen Ordnung mit einem gleichzeitigen Einfordern starker gesellschaftlicher bzw. staatlicher Regulierung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse verband. Für die erste Richtung eines katholischen Sozialismus stehen etwa Konzepte von Theodor Steinbüchel, Ernst Michel, Wilhelm Hohoff, Heinrich Mertens und Vitus Heller. Diese setzten sich konstruktiv mit mittelalterlicher und neuzeitlicher Philosophie, aber auch mit den Schriften von Karl Marx auseinander. Ihre heute weitgehend vergessenen Anstöße sollen vergleichend aufgearbeitet werden, aber auch, warum sie sich nicht durchsetzen konnten. Wirkungsgeschichtlich bedeutsamer war die von Jesuiten getragene Richtung des Solidarismus, für die Konzepte von Oswald von Nell-Breuning, Heinrich Pesch, Gustav Gundlach u.a. stehen. Der Solidarismus als Suchbewegung nach einem ,Dritten Weg‘ zwischen ,individualistischem Liberalismus‘ und ,kollektivistischem Sozialismus‘ gehört zweifellos zu den geistesgeschichtlichen Grundlagen der modernen Sozialstaaten. Die Stärke des sozialen Katholizismus lag aber weniger in der Theorie, sondern in einer pragmatisch orientierten politischen Praxis, die den Kapitalismus sozialstaatlich zu zähmen suchte und gleichzeitig auf das Potenzial gesellschaftlicher Kräfte zur Lösung der ,Sozialen Frage‘ setzte. Die Zentralstelle des Volksvereins für das katholische Deutschland in Mönchengladbach fungierte seit dem Kaiserreich als ,Kaderschmiede‘ für wirtschafts- und sozialpolitische Akteure, die im Rahmen der Zentrumsfraktion einen Interessenausgleich zwischen Kapital und Arbeit betrieben (Betriebsverfassung, Arbeitsordnung etc.). Politisch wirksam wurden die Ideen der Mönchengladbacher Richtung insbesondere über das Weimarer Reichsarbeitsministerium, dessen Führungspersonal über viele Jahre aus Mönchengladbach kam. Während die Theoretiker der katholischen Soziallehre Nell-Breuning und Pesch viel bearbeitet worden sind, verspricht insbesondere eine Untersuchung des Zusammenhangs von katholischer Soziallehre und wirtschaftsund sozialpolitischer Praxis im Weimarer Arbeitsministerium neue Erkenntnisse. Von 1920 bis 1928 stand es unter der Leitung des ehemaligen Direktors der Zentralstelle des Volksvereins für das katholische Deutschland, Heinrich Brauns. Auch nach dem 2. Weltkrieg spielten katholische Sozialpolitiker in der Leitung des Arbeits- bzw. Sozialministeriums eine wichtige Rolle. Hier verspricht die Untersuchung der Frage neue Erkenntnisse, in welchem Verhältnis in der frühen Bundesrepublik die im Arbeitsministerium verankerte Tradition pragmatischer katholischer Sozialpolitik zum ordoliberalen Entwurf einer „Sozialen Marktwirtschaft“ stand und in welchem Ausmaß sich beide Richtungen in der Sozial- und Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik niederschlugen. In einem vergleichenden Teil sollen Unterschiede und Gemeinsamkeiten der katholischen und protestantischen Traditionslinien herausgearbeitet werden. Untersucht werden soll, ob die Unterschiede durch die konfessionelle Prägung bedingt sind und wie explizit theologische Begründungsfiguren mit natur- bzw. vernunftrechtlichen Argumentationen und empirischwissenschaftlichen Analysen verbunden oder von ihnen differenziert werden. Im Hintergrund steht die Frage, wie mit der modernen Ausdifferenzierung von Religions- und Wirtschaftssystem umgegangen wird. Des Weiteren soll gefragt werden nach dem jeweiligen Verständnis der Staatsaufgaben, v.a. nach der Einschätzung des Sozialstaates. Vergleichspunkte beziehen sich außerdem auf das Verhältnis zum Marxismus, zu den politischen Parteien und zur Arbeiterbewegung. Schließlich soll untersucht werden, ob die katholischen und protestantischen Konzepte sich bewusst aufeinander bezogen haben, und wenn ja, in welcher Weise.


    Die religiöse Tiefengrammatik des Sozialen – Die Bedeutung der Religionsgemeinschaften für den normativen Hintergrund europäischer Wohlfahrtsstaatlichkeit (Institut für Ethik und angrenzende Sozialwissenschaften / Institut für Christliche Sozialwissenschaften). Gefördert durch: Exzellenzcluster "Religion und Politik" der WWU Münster

    Die Debatten um das Selbstverständnis und die Wertgrundlagen des "europäischen Sozialmodells" spielen in den Identitätsbildungsprozessen der Europäischen Union eine elementare Rolle. Die modernen europäischen Wohlfahrtsstaaten sind aus komplexen Kooperations-, Bekämpfungs- und Transformationskonstellationen zwischen Staat und religiösen Glaubensgemeinschaften entstanden, die bisher nur anfangsweise aufgearbeitet worden sind. Unübersehbar ist, dass die normative "Tiefengrammatik" des modernen Wohlfahrtsstaates in hohem Maße, wenn auch in hochgradig diffuser Weise, durch religiös vermittelte Wohlfahrtsimpulse und Wertmuster geprägt worden ist – und bis heute geprägt wird, wobei sich das Spektrum beteiligter Konfessionen und Religionen durch die Arbeitsmigration und die Individualisierung moderner Religiosität deutlich verbreitert hat.

    In der Forschung zur wohlfahrtsstaatlichen Entwicklung in Deutschland und Europa wird die Frage nach religiösen und konfessionellen Grundlagen und Einflussfaktoren nur selten gestellt. Während die an religiösen Aspekten interessierte neuere Wohlfahrtsforschung überwiegend eine politologische oder soziologische Perspektive verfolgt und auf Westeuropa begrenzt ist, geht es im Projekt um eine perspektivische und geographische Ergänzung dieser Sichtweise. Einerseits verfolgt es das Ziel, die theologische Perspektive, gleichsam die Binnensicht der religiösen Gemeinschaften, in das Gesamttableau zu integrieren, andererseits soll die bisherige Forschung durch den Blick nach Ost- und Südosteuropa erweitert werden. Der religiösen Dimension der wohlfahrtsstaatlichen Entwicklung in Deutschland und Europa wird in zwei Teilprojekten nachgegangen: einer Rekonstruktion der wichtigsten die wohlfahrtsstaatliche Entwicklung in Deutschland prägenden Semantiken wie z.B. "Arbeit", "Armut", "Familie", "Solidarität", "Verantwortung" und "Subsidiarität" (Teil A) und einer vergleichenden Analyse religiös-konfessioneller Einflussfaktoren in 13 europäischen Ländern (Teil B). Die Leitfrage des Gesamtprojekts lautet: Sind religiöse Traditionen aus sich selbst heraus wohlfahrtsstaatsproduktiv oder entwickeln sie diese Produktivität erst unter bestimmten historischen Bedingungen (z.B. in politisch-gesellschaftlichen Konfliktkonstellationen), und wenn dies so ist, unter welchen?

    Das Projekt ist Teil des Forschungsfeldes "Normativität" des Exzellenzclusters "Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und der Moderne". Jedes der beiden Teilprojekte wurde auf einem interdisziplinären Workshop diskutiert:

    "Religiöse Dimensionen wohlfahrtsstaatlicher Leitsemantiken in Deutschland seit dem Kaiserreich", Münster, 26./27.06.2009.
    "Religion und Wohlfahrtsstaatlichkeit in Europa / Religion and the Welfare State in Europe", Münster, 27./28.11.2009.

    Veröffentlichung: Karl Gabriel / Hans-Richard Reuter / Andreas Kurschat / Stefan Leibold (Hrsg.): Religion und Wohlfahrtsstaatlichkeit in Europa, Tübingen 2013.


    Die ekklesiologische Legitimität verschiedener steuerbasierter Kirchenfinanzierungsmodelle – am besonderen Beispiel des otto per mille in Italien (Thorsten Maruschke)

    In meiner Arbeit greife ich die kirchliche und öffentliche Diskussion auf, die in Deutschland zur Kirchenfinanzierungs mittels Kirchensteuer geführt wird und gehe zugleich in drei wesentlichen Punkten über sie hinaus: Ohne den pragmatischen Druck, aus meinen Ergebnissen sofort handlungsleitende Haushaltsprinzipien ableiten zu müssen, kann ich besonnener und grundsätzlicher ansetzen. Dies geschieht einerseits, indem ich das öffentlich zwar viel diskutierte aber wenig gekannte italienische Modell erstmals für den deutschen Sprachraum aufarbeite und damit die Systemfrage, die in der deutschen Debatte verboten scheint, explizit stelle. Als drittes Korrespondenzmodell beziehe ich außerdem das Modell des Dietrich-Bonhoeffer-Vereins (dbv), das für sich beansprucht, die Anregungen aus dem italienischen Modell in die deutschen Verhältnisse hinein zu übertragen, mit ein. Grundsätzlich ist die Herangehensweise andererseits insofern, als dass ich ekklesiologisch und damit theologisch ansetze und die Frage nach dem zugrunde liegenden Kirchenbild stelle und die allzu oft theologievergessene Debatte damit in den Raum der wissenschaftlichen Theologie reintegriere. Die Analyse der wesentlichen Debattenstränge, die die Diskussion um die Modelle geprägt haben, ergab, dass nicht nur aus deutscher Perspektive das italienische Modell als erstrebenswert gilt, sondern dass auch umgekehrt aus italienischer Perspektive oft neidisch nach Deutschland geschaut wird. In beiden Fällen liegt dem der einfache Mechanismus zugrunde, dass das jeweils andere Modell Fragen löst, die das eigene Modell aufwirft. Zugleich erbrachte diese Analyse der Debatten auch schon die wesentlichen Fragehinsichten, die in ekklesiologischer Perspektive an eine theologisch legitime Kirchenfinanzierung zu stellen sind: Das theologische Staatsverständnis; die Armut der Kirche; die Gerechtigkeit des Finanzsystems; der Stellenwert der Diakonie. Sie sind Grundlagen der Suche nach theologisch verantworteten Kriterien der Kirchenfinanzierung, die in einem zweiten Hauptteil erarbeitet werden sollen. Wenn diese Kriterien abschließend in einem auswertenden Teil auf die drei Modelle angewendet werden, so bekommen sie theologische Tiefenschärfe, die eine Beurteilung erlaubt und in theologisch motivierten Hinweisen für die Kirchenfinanzierung münden kann. Darauf zielt die Arbeit: Theologische Kriterien zu entwickeln, die einerseits zur kritischen Würdigung der behandelten Modelle dienen können, andererseits aber auch Leitgedanken zur Entwicklung eines neuen Kirchenfinanzierungsmodelles bieten.


    Der Paradigmenwechsel im Verständnis der Menschenrechte in der "Kommission der Kirchen für Internationale Angelegenheiten" des Ökumenischen Rates der Kirchen in den 1960er und 1970er Jahren (in Verbindung mit dem DFG Projekt (Karlsruhe) "Auf dem Weg zum globalisierten Christentum: Die europäische protestantische Ökumene und die 'Entdeckung' der 'Dritten Welt' (1966–1973)") (Christian Albers)

    Seit seiner Gründung nach dem 2. Weltkrieg maßen der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) und seine „Kommission der Kirchen für Internationale Angelegenheiten“ (KKIK) den Menschenrechten eine hohe Bedeutung zu. Unter Menschenrechten wurden zunächst vornehmlich die politischen und bürgerlichen Freiheits- und Abwehrrechte verstanden, insbesondere das Recht auf Religionsfreiheit. In den 1960er und 1970er Jahren stellte eine neue Generation von Mitarbeitern und Delegierten beim ÖRK den Vorrang der Religionsfreiheit jedoch zugunsten von sozialen, wirtschaftlichen und kollektiven Rechten zunehmend in Frage. In der Dissertation wird dieser Paradigmenwechsel vor dem Hintergrund der globalen Umbrüche und der Globalisierung des ÖRK in den 1960er und 1970er Jahren analysiert. Nach einer zeithistorischen Darstellung und der Analyse dieses Paradigmenwechsels soll das neue Menschenrechtsverständnis theologisch und sozialethisch gedeutet werden. Kann man –angesichts einer damals wiederholt vorgebrachten Forderung einer theologischen Durchdringung des ökumenischen Menschenrechtsdiskurses – von einer „Theologisierung der Menschenrechte“ sprechen? Welche Rolle spielte die Theologie der unterschiedlichen Konfessionen sowie die Befreiungstheologie in der Entwicklung dieses neuen Menschenrechtsverständnisses? War der neue ökumenische Menschenrechtsdiskurs ethisch anschlussfähig an säkulare Deutungsmuster? Schließlich soll der Frage nachgegangen werden, in welchem Verhältnis Anspruch und Wirklichkeit einer theologischen Durchdringung der Menschenrechte im ÖRK standen.


    'Gut' und 'Kapital'. Zwei Grundbegriffe der Gesellschaftstheorie bei Friedrich Schleiermacher und Pierre Bourdieu im Vergleich (Mag. theol. Johannes Huck)

    Der Begriff des Gutes ist die Zentralkategorie der philosophischen Ethik Schleiermachers. Sein dezidiert güterethischer Ansatz geht davon aus, dass jegliche Ethik defizitär bleiben muss, wenn sie es nicht schafft, die derealisierende, tugend- und pflichtethische Perspektive auf den handelnden Einzelnen aufzubrechen und die Sittlichkeit in ihrer naturwerdenden Verwirklichung durch die gesellschaftliche Arbeit der Gesamtheit der Einzelnen zu begreifen. Ethik wird so zu einer umfassenden Theorie von den im weitesten Sinne kulturellen Hervorbringungen. Der Begriff des Kapitals ist ein zentraler Begriff von Pierre Bourdieus Soziologie im Zusammenhang seiner „nichtökonomistischen Ökonomie der symbolischen Güter“. Er bezeichnet gleichzeitig kulturelle Hervorbringungen wie Machtmittel, die in Strategien zur sozialen Reproduktion eingesetzt werden sowie in Strategien zur (einen je spezifischen Profit versprechenden) Positionierung in den Feldern der Kulturproduktion.
    Das Projekt will nun den spekulativ-ethischen Begriff des Gutes als eines sittlich Guten darauf hin befragen, inwiefern er einer empirisch gesättigten, wissenschaftlichen Beschreibung der sozialen Wirklichkeit standhält; und es will den Begriff des Kapitals daraufhin abtasten, inwiefern er einer (güter-)ethisch akzentuierten Rekonstruktion zugänglich ist.
    Als Arbeitshypothese dient dabei einerseits die Beobachtung, dass der Gutbegriff bei Schleiermacher ein neues Kriterium erhält, wodurch er in genauen Gegensatz zum Bourdieuschen Kapitalbegriff gerät: das Kriterium der Nichtexklusion; andererseits die vermutete Übereinstimmung beider Konzepte in ihrem grundlegendsten generativen Schema: einer in einem spezifischen Sinne relationalen Epistemologie.