3. Young Researcher Meeting am 2. und 3. März 2012

Phytotherapeutika in der aktuellen Forschung: Phytochemie, Pharmakologie und klinische Anwendungen

Fast schon zur festen Institution geworden, fand nun schon zum dritten Mal im Institut für Pharmazeutische Biologie und Phytochemie der Universität Münster im Rahmen des strukturierten Nachwuchsförderprogrammes ein wissenschaftliches Symposium für Nachwuchswissenschaftler zum Thema „Phytotherapeutika in der aktuellen Forschung“ statt. Diese Young Researcher Meetings wenden sich bevorzugt an DoktorandInnen, die sich thematisch mit den zahlreichen Facetten der rationalen Phytopharmazie und Naturstoffchemie beschäftigen. Ziel der Workshops ist der Austausch wissenschaftlicher Ergebnisse von hohem Niveau zwischen den Dissertanten, die freie, konstruktive Diskussion der Resultate und Methoden ohne Zutun der jeweiligen Betreuer und älterer Wissenschaftler. Aber auch das gegenseitige Kennenlernen und eine gemeinsame Freizeitgestaltung sind wesentliche Aspekte des Symposiums.

Auch dieses Jahr fanden sich etwa 47 Doktorandinnen und Doktoranden aus verschiedenen deutschen Universitäten ein, vornehmlich PharmazeutInnen, aber auch MedizinerInnen, BiologInnen u.a., deren Interesse, und manchmal, wie sich herausstellte, auch Leidenschaft in der wissenschaftlichen Untersuchung von Arzneipflanzen liegt. Das Spannende an diesen Tagungen ist die interdisziplinäre Beleuchtung von Fragestellungen aus den unterschiedlichen Sichtweisen der phytochemischen Naturstoffseite, der tierexperimentellen und molekularen Pharmakologie sowie aus der Sicht des klinisch tätigen Praktikers. Dieser vielschichtige Ansatz der Diskussion im Grenzgebiet zwischen Chemie, Pharmakologie und Klinik macht denn auch den Reiz dieser Symposien aus.

Im ersten Vortragsblock wurden phytochemische Untersuchungen und Daten zur in vitro Pharmakologie referiert. Hierbei wurden Daten zur Anwendung von Extrakten und isolierten Naturstoffen aus Augentrost (Euphrasia officinalis) als antiproliferative Agentien gegenüber mikrovaskulären Endothelzellen im Hinblick auf eine potentielle Anwendung bei Maculadegeneration vorgestellt. Dass traditionell als Durchspülungstherapeutika bei Blasen-Nierenentzündungen angewandte Drogen antiadhäsive Eigenschaften gegenüber uropathogenen E. coli haben, erwies sich als sehr spannender Befund, da hierdurch die Anheftung der Pathogene an das Blasenepithel hochspezifisch gehemmt werden kann; interessant hierbei auch, dass es wohl Drogen gibt, die Rezeptoren auf Bakterienseite blockieren, während andere Extrakte die Bindungsstellen auf dem Blasenepithel besetzen. Kombination beider Extrakte führt zu signifikanten synergistischen Effekten. Von mehreren Mitarbeitern einer Düsseldorfer Arbeitsgruppe wurden aus dem Gewebe gängiger Arzneipflanzen (z.B. Mentha, Aloe etc.) endophytische Pilze isoliert, taxonomisch charakterisiert, kultiviert und deren Sekundärstoffproduktion charakterisiert. Aus diesen Endophyten wurden strukturell sehr ungewöhnliche Naturstoffe isoliert, deren interessante Bioaktivität in verschieden in vitro Testsystemen dokumentiert wurde. In einer weiteren Präsentation, die sich mit Mechanismen der Entstehung und Ausbildung der allergischen Kontaktdermatitis beschäftigte, wurden unterschiedliche Sesquiterpenlactone hinsichtlich ihres Einflusses auf die Zell-Zell-Kommunikation zwischen dermalen Keratinozyten und anderen beteiligten Hautzellen untersucht, wobei sich mechanistisch gesehen die Induktion proinflammatorischer Zytokine sowie eines noch unbekannten löslichen Faktors belegen ließ, der die für das Zustandekommen einer Immunreaktion notwendige Entzündungsreaktion triggert.

Im Themenkomplex Pharmakologie konnte für Bilobalid aus Gingkoextrakten in vivo (Ratte) ein neuartiger Mechanismus aufgezeigt werden. Die Verminderung der intrazellulären Glucose- und Glutamatgehalte, die wiederum durch Veränderungen der mitochondrialen Performance ausgelöst werden könnte die neuroprotektiven Effekte dieser Substanz bei ischämischen Erkrankungen erklären. Ein weiterer Vortrag beschrieb die Etablierung und Validierung eines neuartigen in vivo Schmerzmodells (Ratte) zur Untersuchung von chronischen Schmerzzuständen und Screening potentieller Naturstoffe. Dass auch komplex zusammengesetze Phytopharmaka bezüglich der Wirkung der Einzelkomponenten und möglicher synergistischer Effekte gut charakterisiert werden können, zeigten Daten zu STW5 (Iberogast®), die sehr gut strukturiert den Einfluss der Einzelextrakte auf intestinales Entzündungsgeschehen am Darm untersuchten und klar belegten, dass die Kombination besser als die jeweiligen Einzelbestandteile wirkte. Durch eine gekonnte und überzeugende Kombination aus in vitro und in vivo Daten (Ratte) gelang es zu zeigen, dass ein charakterisierter Extrakt aus Sophora flavescens antidiabetische Effekte hat, die auf einer gesteigerten Insulinsekretion, erhöhter Insulinblutkonzentrationen, reduzierter Blutglucosekonzentrationen, und reduzierter inflammatorischer Effekte zurückzuführenist. Ein Teil der Wirkungen konnte auf definierte Inhaltsstoffe des Extraktes (Sophojaponicin, Kurarinon) zurückgeführt werden.

Dass pflanzliche Zubereitungen nicht nur positive Effekte aufweisen wurde anhand einer Humankasuistik eindrucksvoll belegt, die fulminantes Leberversagen nach Einnahme hochdosierter Grünteekapseln beschrieb. Die Konsequenzen aus diesem Fall wurden sehr kontrovers und lebhaft diskutiert.

Zum klinischen Einsatz von Phytotherapeutika in Krankenhaus wurde ein Versorgungsstudie seitens der Ruhr-Universität Bochum präsentiert. Hierbei zeigte sich, dass bei über 80% der befragten Patienten der Wunsch nach dem Einsatz solcher Therapeutika auf den Stationen besteht. Bei der Erfassung der Versorgungssituation zeigte sich die Schwierigkeit, aus den statistischen Daten der angewandten Phytotherapeutika die dafür ursächliche Indikation richtig zu zuordnen. Dass zusätzlich gezielte Schulungsmaßnahmen des Stationspersonals in erheblichem Masse benötigt werden, war offensichtlich.

In einer weitern Session Phytochemische Untersuchungen und Analytik wurden einige sehr spannende Fragestellungen vorgestellt. So wurden z.B. mehrere ungewöhnliche Diterpene vom Labdantyp aus Herzgespannkraut erstmals beschrieben. Für die Praxis sehr wichtig erscheint die Etablierung, Kalibrierung und Validierung einer effizienten analytischen FT-IR-Methode zur Quantifizierung von Isoflavonen aus Nahrungsergänzungsmitteln, die auf Grund ihrer Einfachheit deutliche Vorteile gegenüber den üblichen HPLC-Verfahren hat. Weiterhin wurde eine effiziente HPLC Methode zur Quantifizierung von oligomeren Proanthocyanidinen aus verschiedenen Drogenspezies vorgestellt (Hyperici herba, Weissdornblätter und -blüten), die es erlaubt in einem einzigen chromatographischen, nach ICH validiertem Verfahren die gesamten Oligomercluster individuell zu quantifizieren. Diese Methode wurde auch zur Charakterisierung kommerzieller Extrakt in Fertigarzneimittel eingesetzt.

Eine weitere Vortragssession beschäftigte sich schwerpunktmäßig mit der Definition von Naturstoffen als neuartige Leitstrukturen für künftige therapeutische Anwendungen. Insbesondere der Einsatz von Sesquiterpenlactonen als Hemmstoffe des Transkriptionsfactors c-Myb, welcher bei bestimmten Leukämien signifikant hochreguliert ist, kann dazu beitragen, gezielt solche Inhibitoren zu entwickeln. In eine ähnliche Richtung gehen Daten, die auf einen Zusammenhang des Gehaltes bestimmter Inhaltsstoffe in Extrakten aus Walnussblättern und –früchten mit einer potentiellen c-Myb Hemmung hinweisen.

Im Rahmen einer Struktur-Wirkungsstudie von Tannin-angereicherten Extrakten mit inhibitorischer Wirkung gegen Influenza A (H1N1) wurde gezeigt, dass die entsprechenden Effekte auf einer Hemmung des Andockens des Viruspartikels an die Zielzelle beruht (Antiadhäsion), welche wiederum auf einer Interaktion der wirksamen Extraktbestandteile mit viralem Hämagglutinin zurückzuführen ist. Als wirksame Bestandteile wurden oligomere Proanthocyanidine definiert, die aber als Grundvoraussetzung zur Wirkung ein Pyrogalloyl-Strukturelement ihn Position O-3 oder im B-Ring aufweisen müssen. Als optimal wirksam wurde, basierend auf diesen Daten, Procyanidin-B2-digallat identifiziert. Eine Vielzahl von Postern rundete die Veranstaltung ab. Insgesamt bot sich ein hochaktuelles spannendes Programm mit intensiver Diskussion und einmal mehr hatte sich deutlich gezeigt, dass der Nachwuchs es hervorragend versteht, eigene Ergebnisse perfektioniert zu präsentieren, zu diskutieren und neue Ideen und Gedanken zu generieren.

Organisiert wurde die Tagung von (v.l.n.r.) Prof. A. Hensel, Prof. T. J. Schmidt (IPBP, Universität Münster), Prof. K. Nieber (Pharmakologie, Universität Leipzig) und Prof. A.-M. Beer (Bereich Naturheilkunde und Gesundheitsprävention, Ruhr-Universität Bochum). Die generalstabsmässig geplante organisatorische und technische Abwicklung (herzlichen Dank!) lag in den bewährten Händen der „Event-Managerinnen“ Frau M. Plesse und Frau E. Thiele. Die Tagung wurde durch die Gesellschaft für Phytotherapie gefördert und wurde durch die Firmen Boehringer Ingelheim GmbH&Co.KG, Cassela-med GmbH&Co.KG (Klosterfrau Healthcare Group), Diapharm GmbH, Eppendorf, Pflüger Arzneimittel, PhytoLab GmbH&Co.KG, Schwabe GmbH&Co.KG, Steigerwald Arzneimittel GmbH, und Walther Schoenenberger Pflanzensaftwerk GmbH&Co.KG unterstützt. Sie wäre ohne diesen großzügigen Support sicher in dieser Form nicht durchführbar gewesen. Die Veranstalter freuen sich jetzt schon auf die nächste Veranstaltung.

Prof. Dr. A. Hensel