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„Werden wir irgendwann Herzinfarkte vorhersehen können?“

Im Labor mit Prof. Michael Schäfers / Interviewreihe des Exzellenzclusters "Cells in Motion"
Nuklearmediziner Prof. Michael Schäfers ist Co-Sprecher des Exzellenzclusters „Cells in Motion“ sowie Direktor des European Institute for Molecular Imaging (EIMI) der WWU und der Klinik für Nuklearmedizin des UKM.

Prof. Schäfers, mit welcher wissenschaftlichen Frage beschäftigen Sie sich aktuell?

Im Wesentlichen arbeite ich auf drei Forschungsfeldern. Ich forsche zum einen an der Bildgebung von Entzündungen, die beispielsweise im Rahmen einer Arteriosklerose in der Gefäßwand auftreten und zu Herzinfarkten führen können. Mein Team und ich entwickeln Verfahren, die in Tomographen Entzündungen sichtbar machen können. Das gelingt mit sogenannten Tracern, also Stoffen, die sich im Körper von Patienten an Entzündungsherde heften. Mit ihnen können wir nicht nur den Ort einer Entzündung sehen, sondern auch den akuten Krankheitszustand beurteilen. Zum anderen verfolgen wir die Wege von Zellen im Körper, die bei vielen Krankheiten wichtig sind. Wir schauen uns die Dynamik etwa von Immunzellen an, um ein krankhaftes Verhalten besser verstehen zu können. Im dritten Teil meiner Forschung versuche ich, unsere Forschungserkenntnisse in die Klinik zu übertragen.

Für alle Forschungsfragen meines Instituts, des European Institute for Molecular Imaging (EIMI), benötigen wir sogenannte Bildgebungsverfahren, also Technologien, mit denen man ins Innere von Körpern blicken kann. Das Besondere des EIMIs: Uns interessiert die gesamte Größenskala der Bildgebung, von der Mikroskopie über die Kleintierbildgebung bis hin zum klinischen Einsatz. Wir schauen uns ebenso Zellen in Gewebeproben und Zellkulturen an wie ganze Organe im Gesamtorganismus einer Maus oder eines Menschen. Die breite Skala ist eine große Herausforderung, weil jede Technik anders funktioniert und ihre Grenzen hat. Mit vielen Techniken können wir schon gut ins Innere von Menschen und Mäusen blicken. Allerdings betrachten wir damit ganze Organe oder sogar den ganzen Körper, nicht einzelne Zellen. Für diese kleinste Dimension suchen wir nach neuen Wegen. Mit der Zeit sollten wir die Brücke zwischen all den unterschiedlichen Methoden schlagen können.

Was macht Sie als Wissenschaftler persönlich aus?

Ich bin nicht nur im Labor gern kreativ, sondern auch privat. Schon als Student habe ich Musik gemacht und Anfang der 1990er Jahre mit Freunden die A-capella-Gruppe „Simple Voices“ gegründet. Fünf der Gründungsmitglieder sind immer noch dabei. Mit einigen der aktuellen Mitglieder des Ensembles forsche oder arbeite ich im EIMI zusammen. Ansonsten koche ich gern und habe großen Spaß an kleinen Bauprojekten. Bei der handwerklichen Arbeit kann ich mich auch beim größten Stress in der Klinik und im Institut entspannen.

Was ist Ihr großes Ziel als Wissenschaftler?

Ich arbeite gern translational, also als Arzt und gleichzeitig als Forscher. So kann ich wissenschaftlich arbeiten und Forschungsergebnisse medizinisch anwenden. Es macht mir großen Spaß, auch meine Mitarbeiter in diese Richtung auszubilden. Denn von der engen Verbindung zwischen Grundlagenforschung und Klinik profitieren Patienten und Mitarbeiter. Wir können Patienten mit innovativen Lösungen behandeln. Und Mitarbeiter erleben mit, wie sich klinische Verfahren verbessern, weil sie an einer neuen Lösung geforscht haben. Das wäre übrigens mein Traum: Ich würde gern ein klinisches Bildgebungsverfahren entwickeln, das für die Anwendung bei Patienten etabliert werden kann.

Was ist Ihr liebstes technisches Forschungsspielzeug und was kann es?

Das ist ganz klar die Positronen-Emissions-Tomographie (PET). Kombiniert man dieses Bildgebungsverfahren mit innovativen Tracern, ist es extrem vielfältig einsetzbar. Wir können von außen in einen lebenden Körper blicken und mit verschiedenen Tracern, die wir entwickeln, spezifisch Krankheitsprozesse darstellen. Im Studium habe ich die Anfänge der PET kennengelernt. Damals entstanden die ersten Aufnahmen des Zuckerstoffwechsels eines menschlichen Gehirns mithilfe eines PETs. Das müsste etwa im Jahr 1990 gewesen sein.

Erinnern Sie sich an Ihren größten Glücksmoment als Wissenschaftler?

Ich habe schon viel Glück gehabt in meiner wissenschaftlichen Laufbahn. Der größte Glücksmoment war sicher der Zuschlag zum Exzellenzcluster „Cells in Motion“, weil es so schwierig war, diesen zu bekommen. Wir haben lange an einer schlüssigen Strategie gearbeitet, die allein strukturell größer und komplexer war als alles, was ich zuvor kannte. Daneben ist es die Arbeit an einer wissenschaftlichen Veröffentlichung, die mich glücklich macht, wenn man mit Kollegen zusammensitzt, Daten analysiert und etwas so lange ausklamüsert, bis sich ein Bild ergibt, das uns wissenschaftlich weiter bringt.

Auf welche große, wissenschaftliche Frage hätten Sie gern eine Antwort?

Werden wir irgendwann Herzinfarkte vorhersehen können? Damit beschäftige ich mich täglich in meiner Arbeit mit Patienten, bei denen ich die Durchblutung des Herzens untersuche. Auf diese relevante Frage hätte ich wirklich gerne eine Antwort, und zwar eine positive!