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„In der Wissenschaft startet man mit einer Idee und schafft etwas, das vorher nicht da war“

Im Labor mit Dr. Milos Galic / Interviewreihe des Exzellenzclusters "Cells in Motion"
Dr. Milos Galic, Cells-in-Motion-Nachwuchsgruppenleiter im Institut für Medizinische Physik und Biophysik an der Universität Münster

Herr Dr. Galic, mit welcher wissenschaftlichen Frage beschäftigen Sie sich aktuell?

Meine übergeordnete Frage lautet: Wie schaffen es Zellen, sich zu bewegen oder ihre Form zu verändern? Zellen haben kein Gehirn, dennoch wissen sie genau, was sie wann tun müssen. Entscheidend dafür sind unter anderem Kräfte, die auf Zellen einwirken und dabei bestimmte Reaktionen hervorrufen. Was diese Kräfte für uns so spannend macht: Egal ob sich eine Zelle selbst bewegt oder von einer Kraft verbogen wird – in jedem Fall stoßen die Kräfte auf die Membran, also auf die äußerste Schicht der Zelle, und verbiegen sie. Mein Team und ich wollen wissen, wie diese mechanische Verformung der Membran in ein biologisches Signal umgewandelt wird. Hunderte Proteine in der Zelle reagieren auf diese Membrandeformationen. Ich will verstehen, welche Proteine bei welcher Kraft wie aktiviert werden. Bei meinen Experimenten verwenden wir dazu einen Trick – wir nehmen einen mechanischen Finger, der weniger als ein millionstel Meter misst, drücken damit die Zellmembran ein, und schauen dann, was passiert.

Was macht Sie als Wissenschaftler persönlich aus?

Die Wissenschaft endet nicht an der Labortüre. Ich komme aus der Schweiz. Meine Frau, die ebenfalls Nachwuchsgruppenleiterin ist, stammt aus Slowenien. Wir beide haben mehrere Jahre lang in Stanford, USA, geforscht. Dort ist auch unser Kind zur Welt gekommen. Im vergangenen Frühjahr sind wir nun nach Münster gezogen. Wir genießen es, dass wir als Forscher beide an einem Standort arbeiten können. Das ist für Wissenschaftler nicht immer selbstverständlich.

Was ist Ihr großes Ziel als Wissenschaftler?

Ich bin erst seit gut einem Jahr Junior-Gruppenleiter im CiM und forsche erstmals vollkommen selbständig. Als Doktorand und Postdoktorand hat man noch einen erfahrenen Mentor, mit dem man die Forschungsrichtung bespricht. Ich will nun selbst als Wissenschaftler erfolgreich sein. Das möchte ich jetzt beweisen. Daneben wäre ich gern für Doktoranden ein guter Mentor, der sie in ihrer Arbeit nicht begrenzt, sondern motiviert.

Was ist Ihr liebstes technisches Forschungsspielzeug und was kann es?

Das war bisher ein altes Mikroskop, an dem ich während meiner Zeit in den USA herumschrauben durfte. Dort habe ich gelernt, dass nicht immer die Beschaffung neuer Geräte nötig ist, um ein Problem zu lösen. Man kann oft auch mit Kreativität weit kommen. Mir macht es Spaß, ein Gerät selbst zusammenzustellen. Ich habe gerade etwa die Einzelteile für ein Lichtblatt-Mikroskop bestellt. Die kosten nur einen Bruchteil der Fertigversion. In den nächsten Monaten werde ich das Mikroskop zusammenbauen und dann hoffentlich einer Hirnzelle in 3D beim Wachsen zusehen können.

Auf welche große ungelöste wissenschaftliche Frage hätten Sie gern eine Antwort?

Da gibt es viele: Wo kommt das Leben her? Gibt es Leben auf anderen Planeten? Wurde der Neandertaler von uns absorbiert? Was ist freier Wille?

Wie viel Kunst, Kreativität oder Handwerk steckt in Ihrer Wissenschaft?

Ich glaube, dass Künstler und Wissenschaftler einige Gemeinsamkeiten haben: Wir starten beide mit einer Idee. In einem Prozess schaffen wir dann etwas, das vorher nicht da war. Außerdem steht bei Forschern wie bei Künstlern nicht die sichere Anstellung im Vordergrund, sondern der Spaß am Job.