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„Ich will Licht so nutzen, dass ganz neue Geräte entstehen“

Im Labor mit Cornelia Denz / Interviewreihe des Exzellenzclusters "Cells in Motion"
Prof. Dr. Cornelia Denz vom Institut für Angewandte Physik ist Mitglied des Exzellenzclusters "Cells in Motion" und Prorektorin für Internationales und wissenschaftlichen Nachwuchs der Universität Münster.

Frau Prof. Denz, mit welcher wissenschaftlichen Frage beschäftigen Sie sich aktuell?

Wir entwickeln derzeit die sogenannte optische Pinzette für Anwendungen in der Biomedizin weiter. Bei der optischen Pinzette nutzen wir aus, dass Licht kleinste lebende Objekte wie Zellen oder Bakterien festhalten und bewegen kann. Der Lichtstrahl wirkt dabei sozusagen als Falle für Zellen. Uns gelingt es sogar, durch Anwendung holographischer Zellen mehrere zehn bis über hundert Zellen gleichzeitig festzuhalten und zu bewegen. Darüber hinaus kann eine optische Pinzette fast unvorstellbar kleine Kräfte messen, die ein Millionstel von einem Millionstel Gramm entsprechen. Das gelingt mithilfe von Nanopartikeln als Sonden, die in den Zellen Kräfte auf Zellkompartimente messen oder Kräfte bei der Zellbewegung analysieren. Die optische Pinzette misst auch die Elastizität einer Zelle, die ein guter Indikator für Krankheiten wie Krebs oder Alzheimer ist. Und bei der Nutzung mehrerer Pinzetten lassen sich die elastischen Eigenschaften einer lebenden Zelle an verschiedenen Zellorten gleichzeitig messen. So können wir auch Zellwechselwirkungen oder Anordnungen größerer Zellverbände untersuchen. Gerade Biomedizinerinnen und Biomediziner sind von den Möglichkeiten der optischen Pinzette begeistert. Sie können im lebenden Organismus experimentieren, ohne dabei Gewebe zu zerstören, und erfahren dabei viel Neues über die biomechanischen Eigenschaften von Zellen. Das hilft dabei, bisher unbekannte Prozesse der Zellentwicklung, der inneren Zellverteilung und von Zellerkrankungen zu erklären. Wir Physiker unterstützen beim Einsatz der mittlerweile etablierten Technik, entwickeln sie mit ihnen je nach Forschungsfrage weiter und können so unsere Technologie immer besser den Anforderungen der Kolleginnen und Kollegen anpassen.  

Was macht Sie als Wissenschaftlerin persönlich aus?

Ich bin in Frankfurt geboren, habe in Darmstadt studiert und beschäftige mich seit dieser Zeit mit der nichtlinearen Optik. Für meine Doktorarbeit bin ich nach Paris gegangen. Wir haben dort die holografische Datenspeicherung vorangetrieben und waren damit auch sehr erfolgreich. Für meine Promotion habe ich den Lise-Meitner-Preis des Landes Hessen bekommen, damals ein recht progressiver Preis, denn er unterstütze junge Mütter bei der Organisation von Familie und Forschungsberuf. Seit dem Jahr 2001 bin ich Professorin für angewandte Physik in Münster, seit 2003 Direktorin des Instituts und Inhaberin des Lehrstuhls „Experimentelle Physik“. Auf meine Arbeitsgruppe „Nichtlineare Photonik“ bin ich sehr stolz, da das Team in den vergangenen Jahren wegweisende und bahnbrechende Entwicklungen im Bereich der photonischen Materialien und in der biomedizinischen Mikroskopie erzielen konnte. Eine Herzensangelegenheit ist für mich auch unser Experimentierlabor in der Physik, kurz das MExLab Physik. Dort können Schülerinnen und Schüler in spannenden Experimenten rund um das Thema Photonik selbst erfahren, wie faszinierend Licht ist. Damit bringen wir gerade vielen Mädchen die Naturwissenschaften näher – Licht ist eben nicht nur trockene Wissenschaft. Es ist auch Kunst, Farben und Leben. Für unser Projekt „Light up your Life“ haben wir auch den Preis als ein „Ort im Land der Ideen“ der Initiative „Deutschland - Land der Ideen“ erhalten.

Was ist Ihr großes Ziel als Wissenschaftlerin?

Es gibt bereits viele Anwendungen für Licht. Doch das Potential von Licht als Motor für neue Entwicklungen ist noch lange nicht ausgeschöpft. Wir haben viele Grundlagen untersucht und Techniken entwickelt, mit denen wir Licht in all seinen Eigenschaften geschickt modulieren und maßschneidern können. Dafür würde ich gern noch mehr Einsatzmöglichkeiten entwickeln. Licht hat so viele faszinierende Eigenschaften, die noch nicht für Anwendungen genutzt werden. Ein Beispiel ist die Polarisation. Mit ihr kann man für die optische Pinzette Lichtkäfige bauen, die sich mit Licht öffnen und schließen lassen. Oder auch die Eigenschaft der Kohärenz, mit der man tief in Organismen hineinblicken kann. Licht kann auch künstlich Material erzeugen. Damit ließen sich bessere Lichtleiter, Solarzellen oder Mikroskope bauen. Das ist mein Ziel: Ich will Licht so nutzen, dass ganz neue Geräte entstehen.

Was ist Ihr liebstes Forschungsspielzeug?

Für mich ist das ein fast profaner Alltagsgegenstand, der sogenannte optische Lichtmodulator. Den kennt eigentlich jede und jeder von seinem Smartphone: Die dortigen Flüssigkristallbildschirme sind nichts anderes als Lichtmodulatoren. Mit einem elektrischen Feld wird darüber jedes Pixel hell oder dunkel. Das Tolle daran: Man kann mit Lichtmodulatoren beliebige Strukturen, Bilder oder was auch immer man will auf einen Lichtstrahl aufprägen und damit einen Lichtstrahl in ein faszinierendes Lichtmuster oder eine Lichtlandschaft umwandeln.

Erinnern Sie sich an Ihren größten Glücksmoment als Wissenschaftlerin?

Es ist immer ein Glücksmoment, wenn man lange an einer äußerst schwierigen Forschungsfrage gearbeitet hat und aus den eigenen Überlegungen heraus plötzlich eine klare, überzeugende Lösung für ein Experiment oder eine Formel findet. Das ist besonders toll, wenn man Durststrecken zu überwinden hatte und lange gebraucht hat, um den richtigen Weg zu finden.

Und wie sah Ihr größter Frustmoment aus?

Ich bin immer dann besonders frustriert, wenn die Randbedingungen nicht stimmen. Wenn man sich als Wissenschaftlerin oder als Wissenschaftler zum Beispiel durch bürokratische Abläufe kämpft, ohne einen Grund dahinter entdecken zu können. Verwaltung gehört zu einem Forschungsleben natürlich dazu und hat ihre Berechtigung für Lehre, Drittmittel oder auch die Organisation eines Labors, aber Bürokratie nur um ihrer selbst will kann mich sehr verärgern. Die Zeit verbringe ich dann wesentlich lieber im Labor.