Kamingespräche


Der Name dieser Veranstaltungsreihe ist Programm. Die "Kamingespräche" stehen für außeruniversitäres, zwangloses Beisammensein vor dem Kamin, in gemütlicherem Licht und auf bequemeren Stühlen als in Hörsälen, mit spannenden Gesprächen zwischen Studenten, Dozenten und Professoren. Im Vordergrund stehen dabei Interdisziplinarität und informeller Austausch ohne Seminarcharakter.

Bei den "Kamingesprächen", die das Centrum für Religiöse Studien (CRS) in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Zentrum der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) DIE BRÜCKE 2008 ins Leben gerufen hat, sprechen in regelmäßigen Abständen Referentinnen und Referenten aus unterschiedlichen Fachbereichen der WWU oder aus Politik und Gesellschaft ca. 45 Minuten zu einem Thema ihrer Wahl. Im Anschluss an die Ausführungen der Rednerin oder des Redners haben die Studierenden, an die sich die Veranstaltung hauptsächlich richtet, die Möglichkeit, in einer vertrauten Atmosphäre Fragen zu stellen sowie eigene Gedanken und Überlegungen zu formulieren und zu diskutieren.

Die Veranstaltungsreihe "Kamingespräche" ist in erster Linie auf die Bedürfnisse Studierender des Studiengangs Islamunterricht zugeschnitten, wobei die Veranstaltung auch von der Teilnahme Studierender anderer Fächer profitiert. In ihrer Konzeption gehen die "Kamingespräche" maßgeblich auf die Beobachtung zurück, dass sich insbesondere Studierende muslimischen Glaubens unter dem Druck sehen, sich im Spannungsfeld verschiedener Identitätsangebote eindeutig abzugrenzen und klar zu verorten. Anstatt unterschiedliche Identitäten als Bereicherung der eigenen Lebenswirklichkeit wahrzunehmen, kommt es oftmals zu einer einseitigen Festlegung auf eine kontextuell erwartete Haltung. Die Annahme einer alternativlosen Singularität der menschlichen Identität führt dabei zu Spannungen, denen sich der Einzelne alleine gegenübergestellt sieht. 1

Zum Teil haben muslimische Studierende Schwierigkeiten, sich ein methodologisches Instrumentarium zu erarbeiten, das sie nicht explizit in der elterlichen oder heimatlichen Kultur verorten können. Oftmals zeigt sich eine diffuse emotionale Distanz zu vielem, was der westlichen Gesellschaft als zugehörig empfunden wird. Dadurch können Schwierigkeiten während des Studiums auftreten, die in der Regel zu Lasten der Studierenden gehen.

Eine Ursache hierfür mag eine verengte Wahrnehmung der eigenen Identität und ihrer Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb pluraler Zugehörigkeiten sein. Nicht selten fühlen sich Studierende von verschiedenen Seiten dazu gedrängt, gegenüber Anderen eine Identität auszuzeichnen und als eigene "soziale Identität" zu definieren. Dieser Identitätsreduktionismus birgt die Gefahr, aus einem falsch verstandenen Loyalitätsempfinden heraus kritische Reflexion über sich selbst sowie über die "eigene" und "andere" soziale Gruppe und Position zu meiden.

Die Kamingespräche sollen dazu beitragen, den Studierenden die Vielschichtigkeit von Identität erkennbar zu machen. Anderseits soll sowohl Studierenden als auch Rednerinnen und Rednern klar werden, in wie weit sie in Diskussion und Gesprächen zu einer verengten Wahrnehmung der Identität des Anderen womöglich beitragen. So soll dem Einzelnen die Möglichkeit geboten werden, sich in unterschiedlichen Zusammenhängen und im Dialog mit von außen an ihn herangetragenen Erwartungen selbstbestimmt zu positionieren.

Verlauf:


17.01.2008 – Prof. Dr. Dietrich Thränhardt, Politikwissenschaft, Münster: "Brain Circulation"

15.05.2008 – Ruprecht Polenz, MdB für die Stadt Münster und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag: "Integrationspolitik im Spannungsverhältnis von Homogenität und Vielfalt"

10.07.2008 – Prof. Dr. Marianne Krüger-Potratz, Erziehungswissenschaft, Münster: "Kultur und kulturelle Differenzen"


1 Amartya Sen: Die Identitätsfalle. Warum es keinen Krieg der Kulturen gibt, Bonn 2007, S. 32.