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Münster (upm)
Harmlos, ja sogar ästhetisch sieht es aus, dieses rotgefärbte Stäbchen der Gattung Pseudomonas. Aber der schöne Schein trügt auch in diesem Fall, denn dabei handelt es sich um einen gefährlichen Krankenhauskeim.<address>© fotolia.com/Dr. Kateryna</address>
Harmlos, ja sogar ästhetisch sieht es aus, dieses rotgefärbte Stäbchen der Gattung Pseudomonas. Aber der schöne Schein trügt auch in diesem Fall, denn dabei handelt es sich um einen gefährlichen Krankenhauskeim.
© fotolia.com/Dr. Kateryna

Keime auf dem Vormarsch

Münstersche Wissenschaftler entwickeln neue Ansätze gegen multiresistente Erreger

Am Institut für Hygiene des Universitätsklinikums Münster (UKM) haben Krankheitserreger keine Chance. Im Foyer wischt eine Frau sorgfältig einen Stehtisch nach dem anderen ab. Ein Stockwerk höher kitzelt der scharfe Geruch von Desinfektionsmitteln in der Nase. Dass es hier sauber zugeht, hat einen guten Grund. Denn die Mediziner, die hier arbeiten, haben Keimen aller Art den Kampf angesagt, auch multiresistenten Bakterien. "Hygiene ist Prävention", betont Privatdozent Dr. Alexander Mellmann, Facharzt für Hygiene. "Wir versuchen, Schlimmeres zu verhindern." Einen Fall wie in Bremen etwa, wo 2011 drei Babys auf einer Frühchen-Intensivstation starben. Oder in Leipzig: Dort infizierten sich an der Uniklinik innerhalb von zwei Jahren 63 Menschen mit einem multiresistenten Erreger.

"Resistenz beschreibt eine erhöhte Widerstandsfähigkeit gegen einen Umweltfaktor und erfolgt zumeist durch erbliche Veränderungen", erklärt Prof. Joachim Kurtz vom Institut für Evolution und Biodiversität. Weil Menschen und Tiere an ähnlichen Bakterien erkranken, wirken bei ihnen auch dieselben Wirkstoffe. Ihr unkontrollierter Einsatz in der Tiermast oder im ambulanten Bereich erhöht den Selektionsdruck unter den Bakterien. Das bedeutet, dass nur die Bakterien überleben, die durch eine Mutation resistent gegen die Wirkstoffe geworden sind. "Die Folge ist, dass es zur schnellen Evolution von Antibiotika-resistenten Bakterien kommen kann", erläutert der Evolutionsbiologe.

Bis zu 15.000 Menschen sterben jedes Jahr an Krankheitserregern.

Laut Bundesgesundheitsministerium infizieren sich jährlich zwischen 400.000 und 600.000 Menschen während einer medizinischen Behandlung mit Krankheitserregern, 10.000 bis 15.000 sterben jährlich daran. Multiresistente Bakterien spielen dabei eine besondere Rolle. "Viele solcher Fälle wären vermeidbar", ist sich der medizinische Mikrobiologe Prof. Georg Peters sicher. Hände desinfizieren, Patienten bei der Einlieferung gemäß Risikobeurteilung routinemäßig screenen und Infizierte isolieren: Maßnahmen der Krankenhaushygiene sind nach Meinung des münsterschen Wissenschaftlers besonders wirksam, um das Problem in den Griff zu bekommen. "Doch die Arbeitsverdichtung in vielen Krankenhäusern ist mittlerweile so groß, dass das Risiko von Hygienefehlern durch das Personal steigt."

Das lässt sich auch an den eingangs genannten Fällen zeigen. Ein Untersuchungsausschuss stellte in Bremen unter anderem Hygiene-Mängel, eine unzureichende Dokumentation und das Fehlen eines Screenings fest. In Leipzig wurde der Keim von einem deutschen Patienten eingeschleppt, der zuvor in einer Klinik auf der griechischen Insel Rhodos gewesen war. Eine weitere Herausforderung im Kampf gegen die multiresistenten Keime: Durch den zunehmenden Handels- und Reiseverkehr breiten sie sich weltweit aus.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) engagiert sich deshalb international bei der Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen. Der Ansatzpunkt ist Teil der "Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie" (DART 2020), an dem mehrere Ministerien mitwirken. Mit dem Maßnahmenpaket sollen Resistenzentwicklungen frühzeitig erkannt, Therapieoptionen erhalten und verbessert und Infektionen vermieden werden. Darüber hinaus wolle man das Bewusstsein fördern und Kompetenzen stärken sowie die Forschung unterstützen. Wichtig sei ein sektorübergreifender Ansatz, der die Human- und Veterinärmedizin, die Landwirtschaft und die Umwelt berücksichtige, so das Ministerium.

Das BMG erhofft sich durch den Ausbau der Überwachungssysteme eine bessere Früherkennung. Auch die Ausweitung der Meldepflicht resistenter Erreger soll helfen, das Problem einzudämmen. Durch den sogenannten Pharmadialog mit Industrie, Wissenschaft und Forschung will die Bundesregierung zudem die Entwicklung neuer Antibiotika sowie die Förderung neuer Therapieansätze gegen bakterielle Infektionen vorantreiben.

Dass in der nächsten Zeit ein wirksames Medikament gegen hochresistente Bakterien auf den Markt kommt, hält Georg Peters allerdings für unwahrscheinlich. Für Pharmaunternehmen lohne sich oft die Entwicklung neuer Antibiotika nicht, weil sie zu teuer sei.

"Es kostet viele Jahre und eine Menge Geld, bis ein zugelassenes Medikament auf dem Markt ist."

Einfach und effektiv: Regelmäßiges Händewaschen beugt der Übertragung multiresistenter Keime vor.<address>© fotolia.com/freepeoplea</address>
Einfach und effektiv: Regelmäßiges Händewaschen beugt der Übertragung multiresistenter Keime vor.
© fotolia.com/freepeoplea
Die universitäre Forschung, wie sie auch an der WWU in verschiedenen Projekten läuft, diene vor allem dazu, Grundlagen zu verstehen. Zwar ergebe sich manchmal ein direkter Anwendungsbezug. "Aber auch dann kostet es viele Jahre und eine Menge Geld, bis ein zugelassenes Medikament auf dem Markt ist", betont Georg Peters. Seiner Meinung nach verspricht die Krankenhaushygiene schnellere Erfolge.

Wenn das Telefon bei Alexander Mellmann klingelt, ist meistens schnelles Handeln gefragt. Er wird immer dann gerufen, wenn auf einer Station eine Infektion mit einem gefährlichen Erreger ausgebrochen ist. Seine Arbeit gleicht der eines Detektivs. Um die Übertragungswege aufzuspüren, spricht er mit vielen Ärzten, Pflegern, Erkrankten und Angehörigen, er beobachtet Arbeitsabläufe und macht Abstriche. Ist die undichte Stelle in der Kette gefunden und abgestellt, hat er in den meisten Fällen das Schlimmste verhindert.

Die Niederländer sind darin besonders erfolgreich: Geringe Erreger-Resistenzen und niedrige Durchseuchungsraten der Bevölkerung sind das Ergebnis jahrelanger und intensiver Hygiene-Bemühungen in unserem Nachbarland. In Deutschland gibt es zurzeit noch nicht ausreichend Personal. "Unser Fach hat viele Jahre ein Schattendasein geführt", meint Alexander Mellmann. Das Institut für Hygiene ist deutschlandweit führend auf seinem Gebiet, deshalb gründete es 2012 die Westfälische Akademie für Krankenhaushygiene. Hier werden Hygiene-Fachärzte ausgebildet und Mitarbeiter von Krankenhäusern aus ganz Deutschland geschult.

Doch auch der Einzelne kann etwas gegen multiresistente Keime tun. "Niemand braucht silberbeschichtete Kühlschränke oder antibakterielles Spülmittel", betont Mikrobiologe Georg Peters. Am effektivsten, meint der medizinische Mikrobiologe, sei ohnehin ein besonders einfaches Mittel: Hände waschen.

Autorin: Juliette Polenz

Quelle: "wissen|leben" Nr. 3, 18. Mai 2016

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