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Münster (upm)
Weltweiter Datentransfer<address>© colourbox.de</address>
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"US-Massenüberwachung verstößt gegen Grundrechte"

Kläger-Beraterin Prof. Franziska Boehm über das spektakuläre Urteil zum "Safe-Harbor-Abkommen"

Der Europäische Gerichtshof hat am heutigen Dienstag (6.10.) ein bedeutsames Urteil (Rechtssache C-362/14) zum Datenschutz gefällt. Die Luxemburger Richter haben das seit dem Jahr 2000 zwischen der Europäischen Union und den USA geltende Datenaustauschabkommen "Safe Harbor" für ungültig erklärt. Die EU-Kommission habe keine Kompetenz gehabt, die Befugnisse der nationalen Datenschutzbehörden durch das Abkommen zu beschränken, urteilten die Richter. Zudem verletze eine Regelung, die es Behörden gestatte, generell auf den Inhalt elektronischer Kommunikation zuzugreifen, den Wesensgehalt des Grundrechts auf Achtung des Privatlebens.

"Das Urteil ist ein großer Erfolg für den Datenschutz in der EU", betont Prof. Dr. Franziska Boehm vom Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU). "Endlich ist klar, dass die US-Massenüberwachung gegen europäische Grundrechte verstößt. Die EU sollte darauf drängen, dass immer noch bestehende Überwachungsgesetze wie beispielsweise der FISA Act geändert werden."

Prof. Dr. Franziska Boehm<address>© WWU - privat</address>
Prof. Dr. Franziska Boehm
© WWU - privat
Franziska Boehm gehört zu einem internationalen Team aus Anwälten und Professoren, das den österreichischen Kläger Max Schrems unterstützt hat, der sich durch den Zugriff der US-Geheimdienste in seinen Grundrechten auf Privatsphäre und Datenschutz verletzt sah. Die WWU-Juristin steuerte eine Rechtsmeinung zum Klageantrag bei (http://www.uni-muenster.de/Jura.itm/hoeren/itm/wp-content/uploads/Legal-opinion-SH-Boehm-final_10-Nov.pdf), der der Europäische Gerichtshof nun gefolgt ist.

"Safe Harbor" ist ein von der EU-Kommission in Absprache mit der US-Regierung ausgehandeltes Abkommen. Unternehmen, die dem Abkommen beitreten, verpflichten sich, Daten in Übereinstimmung mit der europäischen Datenschutzrichtlinie zu verarbeiten und in die USA zu übermitteln. Die Unternehmen müssen jedoch nur erklären, die Datenschutzstandards einzuhalten - sie werden nicht entsprechend kontrolliert und müssen auch selbst keine Nachweise erbringen. Rund 4000 US-Unternehmen sind dem Abkommen bis heute beigetreten.

Der Fall betrifft auch den Zugriff des amerikanischen Nachrichtendienstes NSA auf europäische Facebook-Daten - aber auch für Unternehmen wie Google, Apple, Yahoo oder Microsoft hat das Urteil große Auswirkungen, da die Rechtsgrundlage, auf der diese Unternehmen ihre Daten austauschen, jetzt weggefallen ist. "Das Urteil ist auch ein klarer Hinweis darauf, dass ähnliche Massen-Überwachungsmaßnahmen durch EU-Mitgliedsländer ebenso verfassungswidrig wären", unterstreicht Franziska Boehm.

Das Urteil bedeute allerdings nicht, dass jedweder Datentransfer zwischen der EU und den USA eingestellt werde; die Unternehmen müssten eine neue und einklagbare Rechtsgrundlage schaffen, die die Funktion des für nichtig erklärten Abkommens ersetzten. "Die EU-Kommission ist nun aufgefordert", sagt Franziska Boehm, "ihre schon viele Jahre andauernden Verhandlungen mit den USA über ein neues Safe-Harbor-Abkommen endlich zu einem Ende zu bringen. Die Entscheidung der Gerichtshof schafft eine gute Basis für diese Verhandlungen."

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